Potenziale von Sozialen Medien für UNESCO-Ziele nutzen

Resolution der 71. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Berlin, 24. Juni 2011

Resolutionen der Deutschen UNESCO-Kommission

Über die Verabschiedung von Resolutionen der Deutschen UNESCO-Kommission beschließt die Hauptversammlung auf ihrer jährlichen Tagung.

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Seit der Einführung des Internets Anfang der 1990er Jahre hat sich dieses rasant verändert. Informationen werden nicht mehr ausschließlich passiv konsumiert. Das Internet hat sich zu einer partizipativen Plattform entwickelt, auf der jeder Nutzer von Inhalten zugleich auch Produzent werden kann. Diese interaktive Nutzung des Internets wird durch vielfältige Software-Instrumente, Plattformen und Websites ermöglicht, die unter dem Sammelbegriff "Soziale Medien" bekannt sind. Neben Herausforderungen wie der digitalen Kluft oder dem Schutz der Bürgerrechte in sozialen Netzwerken bieten soziale Medien große Potenziale für die Förderung von Wissensgesellschaften. Wissensgesellschaften im Sinne der UNESCO setzen voraus, dass Chancengleichheit für alle beim Zugang zu Bildung und Information ebenso gewährleistet ist wie Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt. Zu den vier Säulen von Wissensgesellschaften – Wissensaufbau, Wissenserhaltung, Wissensverbreitung und Wissensanwendung – können soziale Medien einen wertvollen Beitrag leisten und damit das Entstehen neuartiger Wissens-Gemeinschaften ermöglichen. Soziale Medien eröffnen neue Formate des Informationsaustauschs, der kollaborativen Wissenserarbeitung und einer erweiterten Partizipation der Zivilgesellschaft für die Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation/Information – die Themenfelder der UNESCO.

I.

Die Deutsche UNESCO-Kommission ruft alle politisch und fachlich zuständigen Institutionen auf, soziale Medien für die Förderung moderner Wissensgesellschaften im Sinne der UNESCO einzusetzen sowie deren Einsatz zu unterstützen. Sie appelliert insbesondere

  1. an Bund, Länder und die Akteure des Bildungssystems, neue, durch soziale Medien ermöglichte, kollaborative, grenzübergreifende Lernformen auf allen Bildungsstufen zu analysieren und zu fördern; dabei einen ganzheitlichen Bildungsansatz im Sinne des UNESCO-Berichts zur Bildung für das 21. Jahrhundert ("Delors-Bericht") zu verfolgen, eine partizipative Lernkultur zu schaffen, etablierte, hierarchische Lehr- und Lernstrukturen an die neue Lernkultur anzupassen und innovative Formen von integriertem Lernen zu entwickeln, aber dabei auch die Gefahr des Missbrauchs der sozialen Medien zu berücksichtigen.
  2. an Bund, Länder und die Akteure des Bildungssystems, im Rahmen der Medienpädagogik die Vermittlung von Kompetenzen für den Umgang mit sozialen Medien auf allen Bildungsstufen und an alle Generationen sicherzustellen; besonders Kompetenzen zu vermitteln, um sich in einem komplexen Umfeld zu orientieren, aktiv zur Wissensproduktion mittels sozialer Medien beizutragen, kritisch mit sozialen Medien auch im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre  umzugehen sowie Informationen als relevant zu identifizieren, einzuschätzen und sinnvoll verwenden zu können.
  3. an Bund, Länder und Kulturförderer, neue Formen der künstlerischen kollaborativen Kreation und Produktion durch soziale Medien zu fördern.
  4. an den Bund, rechtliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Nutzung von sozialen Medien zu überprüfen; dabei Fragen des Datenschutzes zu adressieren und die Potenziale von sozialen Medien für den Vertrieb kultureller Ausdrucksformen und Leistungen sowie für die Publikation und Distribution wissenschaftlicher Erkenntnisse und journalistischer Recherchen ebenso zu berücksichtigen wie den Ansprüchen der Künstler, der Wissenschaftler und Journalisten auf ihr geistiges Eigentum zu entsprechen.
  5. an Bund, Länder, die Wissenschaft und ihre Förderer, die Potenziale von sozialen Medien für die Wissenschaft zu analysieren und zu nutzen, insbesondere im Hinblick auf die kollaborative Wissenserarbeitung mit Wissenschaftlern in Entwicklungsländern und der Zivilgesellschaft.
  6. an Bund, Länder, die Wissenschaft und ihre Förderer, Forschung zu fördern und durchzuführen zu Bürgerrechten in sozialen Netzwerken, insbesondere zu Fragen des Persönlichkeitsrechts einschließlich des Datenschutzes und der Privatsphäre, zu neuen Formen der interkulturellen Kommunikation durch soziale Medien, zur kollaborativen Wissensproduktion, zur langfristigen Archivierung des digitalen kulturellen Erbes, zu neuen  Geschäftsmodellen zur Finanzierung von im Internet angebotenen kulturellen Leistungen und zu neuen Lizenzierungsformen.
  7. an alle ihre Partnerinstitutionen, die Verwendung von Open Content und Open Source Lizenzen zu fördern zur Unterstützung kollaborativer Wissensproduktion und -verbreitung durch soziale Medien.
  8. an alle ihre Partnerinstitutionen, ihre organisatorischen Entscheidungsprozesse dahingehend zu überprüfen, wie viel Partizipationschancen sie bieten und den Einsatz von sozialen Medien zur Einbindung relevanter Akteure zu erproben.
  9. an die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", die Inhalte dieser Resolution in ihrer weiteren Arbeit zu berücksichtigen.

II.

Die Deutsche UNESCO-Kommission verpflichtet sich,

  • für ihre Arbeit relevante Online Wissens-Gemeinschaften zu identifizieren, einzubinden und bekannt zu machen, sowie nach Bedarf und nach ihren Möglichkeiten die Einrichtung neuer Online Wissens-Gemeinschaften zu unterstützen;
  • soziale Medien für die Einbindung neuer Zielgruppen in allen Generationen  einzusetzen;
  • Ergebnisse ihrer Arbeit nach ihren Möglichkeiten unter freien Lizenzierungsformen zu veröffentlichen;
  • den Erfahrungsaustausch zwischen UNESCO-Lehrstühlen in Deutschland und anderen Ländern zum Einsatz von sozialen Medien für Lehre und Forschung zu fördern;
  • den Einsatz von sozialen Medien in der Schule im Netzwerk der UNESCO-Projektschulen weiter zu erproben;
  • die Fragen der langfristigen Archivierung für bestimmte Aspekte der sozialen Medien zu prüfen.