Rede,

20 Jahre UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz

Prof. Dr. Maria Böhmer

Prof. Dr. Maria Böhmer
Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission

Grußwort zum Festakt "20 Jahre UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz"

 

 

- Es gilt das gesprochene Wort! –

Sehr geehrter Herr Staatsminister Robra,
sehr geehrte Frau Direktorin Mang,
sehr geehrter Herr Dr. von Krosigk,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reck,
sehr geehrte Damen und Herren,

Kaum eine Welterbestätte in Deutschland verbindet Kultur und Natur auf so vielfältige und kreative Weise wie das Gartenreich Dessau-Wörlitz. In einer einzigartigen Vielfalt und Schönheit erleben wir an diesem magischen Ort die Begegnung und Symbiose von Kultur und Landschaft.
Dies hat das Welterbekomitee der UNESCO vor gut 20 Jahren anerkannt. Als erste Kulturlandschaft in Deutschland wurde das Gartenreich Dessau-Wörlitz im November 2000 als Welterbe ausgezeichnet. „20 plus ein Jahr“ UNESCO-Anerkennung, das feiern wir heute, an diesem schönen Tag! Ich gratuliere Ihnen, im Namen der Deutschen UNESCO-Kommission, sehr herzlich.

Wie zukunftsweisend diese einzigartige Verbindung aus menschengemachter Gestaltung und naturbelassener Landschaft ist, drückt sich jedoch nicht allein in der Aufnahme in die UNESCO-Liste des Erbes der Menschheit aus. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist seit 1988 Teil des UNESCO-Biosphärenreservats Mittelelbe. Vor gut dreißig Jahren wurde ein damals revolutionärer Ansatz gewählt: Die im 18. Jahrhundert vom Menschen geformte Landschaft des Gartenreichs – tatsächlich der erste Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf dem europäischen Festland – sollte als Teil des UNESCO-Biosphärenreservates bewahrt werden. Hier wurde und wird „das Schöne mit dem Nützlichen verbunden“!

Im November 2019 hatte ich die große Freude, an der Jubiläumsveranstaltung zum 40-jährigen Bestehen dieses Biosphärenreservats teilzunehmen, das stetig gewachsen ist und ganz im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickelt wurde. Das Gartenreich ist heute Teil einer länderübergreifende Modellregion für nachhaltige Entwicklung!

„Sein“ Gartenreich als wegweisende Modellregion für ein achtsames Miteinander von Mensch und Natur – das hätte Leopold III. Friedrich Franz, „Fürst Franz“ genannt, sicher gefallen. Inspiriert von den Ideen der Aufklärung und Reisen durch ganz Europa begann er vor gut 250 Jahren (1765) mit der Gestaltung dieses magischen Ortes. Dabei hatte er ein ganzheitliches Ensemble vor Augen, eine Verbindung von Landschaftsgestaltung, Kunst, Wissenschaft, Forschung und Erziehung – ein Ansatz, den wir heute als nachhaltig bezeichnen würden!

Im Wörlitzer Park finden wir heute noch eine Botschaft von ihm: „Wanderer“, ist dort zu lesen, „achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke.“ Eine 220 Jahre alte Mahnung, sorgsam mit Erbe und Ressourcen umzugehen, die heute aktueller ist denn je. Denn spätestens mit der Verabschiedung der Agenda 2030 hat die Weltgemeinschaft erkannt, dass eine Wende zu nachhaltiger Entwicklung dringend notwendig ist.

Der globale Zukunftsvertrag der Agenda legt 17 Ziele fest, die auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung bis 2030 erfüllt sein müssen. Wir alle sind aufgefordert, zu handeln und die notwendige Transformation zur Erreichung dieser Ziele aktiv mitzugestalten – und für die Welterbestätten gilt dies besonders. Dieser Auftrag spiegelt sich auch im Mandat der UNESCO wieder: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz als Welterbe zu schützen und bewahren und Wissen über das Erbe der Menschheit zu vermitteln, das sind die beiden großen Aufträge, die mit der Auszeichnung als Welterbestätte verbunden sind.
Denn gerade Welterbestätten sind durch ihren ganz speziellen Wert und die internationale Aufmerksamkeit, die sie genießen, geradezu prädestiniert dazu, eine Vorreiterrolle in Bezug auf die Nachhaltigkeitswende einzunehmen.

Auf der letzten Welterbekonferenz im Juli 2021 wurde deutlich, dass der Schutz von Welterbestätten dringender ist als je zuvor. Der Klimawandel stellt insbesondere für Naturerbestätten eine zunehmende Bedrohung dar. Flutkatastrophen, Trockenheit, bis hin zu extremer Dürre gefährden das Erbe der Menschheit zunehmend. Die UNESCO reagiert auf die dramatischen Entwicklungen. Auf der Welterbekonferenz wurde über ein Policy-Papier zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Welterbestätten beraten. Dies wird im Herbst der Generalkonferenz vorgelegt. In einem weiteren Schritt sollen dann auch die Bestimmungen der Welterbekonvention überarbeitet werden, damit Welterbestätten sich künftig besser gegen Auswirkungen des Klimawandels rüsten.

Die dramatischen Ereignisse der Flutkatastrophe im Ahrtal haben deutlich gezeigt, dass wir auch hier in Deutschland jetzt auf solche Entwicklungen reagieren müssen.
Auch wenn dieses Mal keine Welterbestätten unmittelbar betroffen war: Es ist klar, dass Managementpläne, die den Klimawandel berücksichtigen für Welterbestätten immer wichtiger werden! Auch das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist verletzlich. Ganz besonders, wenn Hitze zunimmt und der Grundwasserspiegel durch die Trockenheit sinkt. Sie, liebe Frau Mang, das Management der Welterbestätte und die Gärtnerinnen und Gärtner stehen vor großen Herausforderungen. Es wird darum gehen, wie die Authentizität im Bewuchs in den Dessauer Gärten erhalten bleiben kann – auch wenn sich die Umweltbedingungen ändern!

Es freut mich daher sehr, dass Sie und Ihr Team bereits solide Pläne haben, das Gartenreich nachhaltig weiterzuentwickeln und zukunftsfest aufzustellen. Besonders hervorheben möchte ich die Entscheidung der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und der Stadt Oranienbaum-Wörlitz, ein Besucherzentrum zu eröffnen. Dort soll nicht nur über die verschiedenen Standorte des UNESCO-Welterbes Gartenreich Dessau-Wörlitz informiert werden, sondern auch über die anderen UNESCO-Stätten des Landes Sachsen-Anhalt.

Damit stärkt es auch die Vernetzung und Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Region und das Gartenreich wird einmal mehr zu einem Ort der Begegnung uns des Austauschs!
Es ist überliefert, dass bereits die Bauherren des Gartenreichs eine offene Anlage geplant hatten: Alle hatten freien Zutritt und konnten – nach vorheriger Anmeldung – den Garten und das Schloss besichtigen. Damit ist das Gartenreich seit jeher ein Ort des Dialogs für die regionale Bevölkerung genauso wie für Gäste von weither. Als Lernort und Begegnungsstätte leistet das Gartenreich so nicht nur einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, sondern dient auch im Verbund mit den vielen UNESCO-Welterbestätten weltweit dem Gedanken des Austauschs und der Völkerverständigung.

Die DUK begrüßt die enge Zusammenarbeit, mit der Sie hier in Sachsen-Anhalt UNESCO-Ziele umsetzen, sehr! Denn auch das gehört zu einem nachhaltigen Management: alle einzubinden, die mit den UNESCO-Stätten zu tun haben – regionale Interessensgemeinschaften genauso wie Fachleute, Tourismusverbände und Politikerinnen und Politiker. Ich bin mir sicher, dass die UNESCO-Stätten Sachsen-Anhalts wichtige Impulse für den nachhaltigen Tourismus und die Entwicklung einer nachhaltig gestalteten regionalen Wirtschaft geben werden.

Ganz besonders berührt mich der persönliche Einsatz der Menschen vor Ort. Liebe Freunde des Gartenreichs, Sie haben sich über Jahrzehnte für den Schutz, den Erhalt und die Pflege des Gartenreichs eingesetzt. Ohne das bürgerschaftliche Engagement, wie zum Beispiel das der „Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches“ wäre diese Welterbestätte nicht die, die sie heute ist.

Lieber Herr Robra – ich danke für die stete Unterstützung des Bundesland Sachsen-Anhalt für die UNESCO-Stätten, mit denen die Region so reich gesegnet ist, dass ich fast von einer UNESCO-Region sprechen möchte. Denn kaum irgendwo sonst auf der Welt finden sich so gedrängt wir hier so viele „UNESCO-Stätten“!

In den letzten Monaten hat die Pandemie unser gesamtes Leben dramatisch verändert. Von heute auf morgen mussten wir uns umstellen. Von den Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie war auch die Welterbestätte Gartenreich Dessau-Wörlitz betroffen, Ausstellungen mussten schließen, Einnahmen blieben aus, da plötzlich keine Gäste mehr von weither anreisen konnten.

Doch den Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt stand das frei zugängliche Gartenreich weiterhin offen. Liebe Dessauerinnen und Dessauer, ich bin sicher, dass Sie „ihre“ Welterbestätte in der Pandemie noch einmal ganz neu zu schätzen gelernt haben. Einerseits durch die Erholung und Inspiration, die Schönheit, Ruhe und Kraft, die in diesem Ort liegt. Und andererseits dadurch, dass das Gartenreich dabei hilft, sich zu verorten: räumlich, historisch und kulturell. Und diese Verortung ist gerade in Zeiten grundlegender Herausforderungen und Umbrüche eine große Wohltat.

Für die nächsten 20 Jahre wünsche ich Ihnen weiterhin viel Freude und gutes Gelingen dabei, das Gartenreich Dessau-Wörlitz gemeinsam zukunftstauglich zu machen, um seine Einzigartigkeit an die kommenden Generationen weiterzugeben.

Heute wünsche ich Ihnen allen ein gelungenes Fest und gratuliere nochmals herzlich zu 20 Jahren UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz.

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