Auf ein Wort,

Das globale Netzwerk der UNESCO-Nationalkommissionen

Dr. Roland Bernecker

Dr. Roland Bernecker
Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission

Benito Lopez

Benito Mirón López
Generalsekretär der Mexikanischen UNESCO-Kommission

Was sind die Aufgaben einer Nationalkommission und wie arbeiten Sie?

Bernecker: Die Nationalkommissionen stehen für ein modernes Politikverständnis: sie stellen eine enge Wechselwirkung sicher zwischen der UN-Organisation UNESCO, den Regierungen und den zivilgesellschaftlichen Akteuren der jeweiligen Mitgliedstaaten der Organisation – Verbänden, nationalen und regionalen Organisationen, Expertinnen und Experten. Sie entwickeln politische Konzepte und Programme für Bildung und Kultur, den Schwerpunktthemen der UNESCO, und stützen sich dabei auf den besten verfügbaren Input all dieser sehr verschiedenen Akteure. Als Mittlerorganisationen sind die Nationalkommissionen der Schlüssel dazu, dass die globalen Programme der UNESCO innerstaatlich bestmöglich genutzt und umgesetzt werden.

Mirón: Die UNESCO hat in vielen Ländern keine Büros, so dass die Nationalkommissionen meist das zentrale Bindeglied sind. Wir helfen der UNESCO, die nationale Politik, Institutionen und die Zivilgesellschaft einzubeziehen, um ihr Mandat voll ausüben zu können. Das Programm „Der Mensch und die Biosphäre“, die Welterbe-Konvention oder die Arbeit der Ethikkommissionen – hier in Mexiko können wir an all diesen Programmen nur durch das Mitwirken von vielen sinnvoll teilhaben. Wir sind ein neutraler Mittler. Das ist unsere Stärke. Wir helfen allen Teilnehmern, über ihren fachspezifischen Kontext hinauszuschauen und einen Beitrag zur Umsetzung der UNESCO-Ziele in Mexiko zu leisten.

Bernecker: Wir versuchen, unseren Handlungsspielraum so effektiv wie möglich zu nutzen. Dazu tragen wir in unseren Arbeitsbereichen unverzichtbares Know-how zusammen und organisieren uns bestmöglich. Zwar überschätzen wir unseren Einfluss nicht, aber ohne eine gut funktionierende Nationalkommission ist die Mitwirkung eines Staates in der UNESCO und die Wirkung der UNESCO in einem Staat erheblich geringer. Ich würde sagen, dass wir sehr nah an dem dran sind, was für eine Nationalkommission erreichbar ist.

Mirón: In Mexiko ist die UNESCO-Kommission in der Öffentlichkeit noch nicht sehr bekannt. Das geht anderen Nationalkommissionen wohl ähnlich. Dennoch können wir Einfluss üben und Wirkung entfalten. Bei uns stehen Themen im Fokus, nicht unser Ansehen als Nationalkommission. Die Menschen müssen am Ende unserer Arbeit mit Stolz sagen können: Das haben wir Mexikaner erreicht.

Wie erfolgt der Austausch zwischen den Nationalkommissionen weltweit und in Ihrer Region?

Bernecker: Die Nationalkommissionen stimmen sich laufend sowohl formell als auch informell ab, zum Beispiel am Rande von Sitzungen der UNESCO-Gremien. Dieses Netzwerk von fast 200 Kommissionen ist sehr wertvoll. Wir arbeiten meist unterhalb der politischen Ebene und können schnell gezielte Kooperationen umsetzen. Das ist sehr wirkungsvoll. Um die Zusammenarbeit der Kommissionen in Europa zu stärken, haben wir vor zwei Jahren in Bonn ein europäisches Netzwerk gegründet. Dieses hat eine hohe Dynamik entwickelt. Wir kommunizieren permanent sehr effektiv über eine digitale Plattform und treffen uns einmal im Jahr zu konzentrierten Arbeitssitzungen. Das hat sich bereits sehr bewährt. 

Mirón: Wir stehen mit allen Nationalkommissionen in Lateinamerika im Austausch. Wir haben in diesem Kreis beispielsweise in Rahmen des UNESCO-Projektschulnetzwerks kooperiert, auch zum Immateriellen Kulturerbe besteht ein Austausch. In Lateinamerika profitieren wir von personeller Stabilität in den Nationalkommissionen. Zugleich könnten wir die Zusammenarbeit mit bessern finanziellen Möglichkeiten noch intensivieren. Die bilaterale Kooperation mit der Deutschen UNESCO-Kommission zählt zu unseren engsten. Wir arbeiten ja mit Herrn Bernecker und seinem Team zur Förderung von Unternehmertum unter Universitäts-Absolventen zusammen und binden junge Menschen des DUK-Freiwilligendienstes kulturweit in unsere Arbeit ein. Wir hoffen, künftig auch im Hinblick auf die UNESCO-Projektschulen und die Geoparks zu kooperieren.

Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen für das Jahr 2017 und wie werden Sie diese bearbeiten?

Bernecker: Die UNESCO hat in den über sieben Jahrzehnten ihres Wirkens unschätzbare globale Ergebnisse erzielt, vor allem hinsichtlich eines modernen Verständnisses unseres planetaren Erbes und zur Bedeutung eines holistischen Bildungskonzepts für eine menschliche Entwicklung. Insbesondere diesen beiden Dimensionen der Arbeit der UNESCO wollen wir uns noch entschiedener zuwenden. Sie stehen für eine Humanität, die im Zuge der aktuellen tiefgreifenden Transformationsprozesse zunehmend unter Druck gerät. Gerade in dieser Hinsicht ist die Arbeit der UNESCO auch für Deutschland von höchster Relevanz.  

Mirón: Das kommende Jahr steht im Zeichen unseres 50jährigen Jubiläums. Wir werden zurückschauen auf das, was wir erreicht haben, aber auch kritisch fragen, welche neuen Themenfelder wir uns erarbeiten müssen und wie wir zur Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda beitragen können. Der interkulturelle Dialog wird ein weiterer Schwerpunkt sein. Wellen des Rückzugs ins Nationalstaatliche sind derzeit in zahlreichen Ländern zu beobachten, aber wir leben in einer eng miteinander verwobenen Welt. Die UNESCO wurde mit dem Ziel der Friedensförderung in Folge von zwei schrecklichen Weltkriegen gegründet. Wir alle müssen uns also gegen Hass und Diskriminierung stemmen.

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