Geschichte der UNESCO

1955 bis 1964: Erste wissenschaftliche Langzeitprogramme und Beginn der Nubienkampagne

1955

20 Millionen Schulbücher für Korea: Die UNESCO und die UN-Behörde für den Wiederaufbau Koreas (United Nations Korean Reconstruction Agency / UNKRA) intensivieren ihre Hilfsmaßnahmen für den Wiederaufbau des koreanischen Bildungswesens. 1955 wird eine Schulbuchdruckerei eingerichtet. 20 Millionen Kinder pro Jahr können so mit Schulbüchern versorgt werden. Eines der Kinder, die 1956 ein Buch erhalten, ist Ban Ki Moon. Bei einem Besuch der UNESCO im Oktober 2012 erinnert sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen: „Dieses Buch gab mir nach dem Koreakrieg neuen Mut. Für die Menschen in Korea war die UNO ein Leuchtfeuer der Hoffnung und ist es bis heute.“

DDR gründet Nationale UNESCO-Kommission: Im August wird in der Deutschen Demokratischen Republik eine „Kommission für UNESCO-Arbeit“ gegründet. Unter Leitung des Rektors der Humboldt-Universität Berlin, Albrecht Neye, nimmt sie Kontakte zu UNESCO-Kommissionen osteuropäischer, afrikanischer und arabischer Länder und zu internationalen NGOs auf. Im Dezember wird der erste Antrag der DDR auf Mitgliedschaft in der UNESCO abgelehnt.

1956

Erste Regionalkonferenz in Europa: Auf Einladung Frankreichs findet im Mai in Aix-en-Provence die erste Regionalkonferenz der europäischen UNESCO-Nationalkommissionen statt. Die Deutsche UNESCO-Kommission nimmt daran teil. Die Kommission für UNESCO-Arbeit der DDR wird nicht zugelassen.

Radioprojekt zur Alphabetisierung: Die UNESCO startet in Indien ein Programm, das 150 Dörfern der indischen Provinz Poona erreicht. Ähnliche Projekte folgen in Gambia, Ghana und Senegal.

Erste Langzeitprogramme: Die 9. UNESCO-Generalkonferenz (Neu-Delhi, 5. November bis 5. Dezember) beschließt drei Langzeitprogramme mit einer Laufzeit von zehn Jahren: ein Programm zur Verbesserung des Grundschulwesens in Lateinamerika, ein Wissenschaftsprogramm zur Erforschung von Trockenzonen (1957-1962) und das „Orient-Okzident-Programm“ zur Förderung des kulturellen Austauschs.

1957

Wissenschaftliche Konferenzen: In Paris organisiert die UNESCO eine Konferenz über Isotopenforschung. Der Beraterausschuss der UNESCO zur Erforschung der feuchten Tropen hält im Juli seine erste Tagung in Manaus, Brasilien, ab.

Internationales Zentrum für Journalistik: An der Universität Straßburg wird im Oktober das erste Regionalzentrum für die Ausbildung von Dozierenden der Journalistik eröffnet. Eine ähnliche Einrichtung entsteht 1959 in Quito, Peru.

Presse- und Meinungsfreiheit

1958

UNESCO-Exekutivrat tagt in Köln: Im September richtet die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission erstmals eine Sitzung des UNESCO-Exekutivrates in Deutschland (Köln, 15. bis 26. September) aus.

Neubau fertiggestellt: Am 3. November wird das neue UNESCO-Gebäude an der Place de Fontenoy in Paris eingeweiht. Architekten sind Marcel Breuer (USA), Pier-Luigi Nervi (Italien) und Bernard Zehrfuss (Frankreich).

Vittorino Veronese wird Generaldirektor: Die 10. UNESCO-Generalkonferenz wählt am 5. Dezember in Paris Vittorino Veronese (Italien) zum Generaldirektor. Er hat das Amt bis 1961 inne.

UNESCO-Wissenschaftsprogramm: Ein Rundtisch von Nobelpreistragenden befasst sich mit dem Einfluss von Wissenschaft und Technik auf die menschliche Entwicklung. Wissenschaftliche Kolloquien widmen sich der Versalzung in Dürregebieten, der Vegetation der feuchten Tropen und den Folgen menschlicher Eingriffe in die Natur.

UNESCO-Headquarters an der Place de Fontenoy

1959

Beginn des Informatikzeitalters: Im Juni organisiert die UNESCO in Paris die erste große Konferenz über numerische Informationsverarbeitung mit über 2.000 Teilnehmenden aus 36 Staaten.

Studie zur Entwicklung der Forschung: Zu aktuellen Tendenzen der wissenschaftlichen Forschung führt die UNESCO eine weltweite Studie durch. Die Studie wird 1961 veröffentlicht.

Gründung von ICCROM: Auf Initiative der UNESCO wird das Internationale Studienzentrums für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM) in Rom gegründet.

Internationaler Rat für Film und Fernsehen: Die UNESCO gründet den „International Council for Film, Television and Audiovisual Communication“ (ICFT).

Programm für Medienentwicklung: Auf Ersuchen der UN-Menschenrechtskommission und des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) der Vereinten Nationen bereitet die UNESCO ein umfassendes Medienentwicklungsprogramm für Staaten der „Dritten Welt“ vor.

Zeitalter der Informatik

bei der ersten UNESCO-Konferenz über numerische Informationsverarbeitung

1960

Beitritte afrikanischer Staaten: 17 unabhängig gewordene afrikanische Staaten werden Mitglieder in der UNESCO. 1962 kommen sechs und 1964 drei weitere afrikanische Staaten hinzu.

Beginn der Nubienkampagne: Am 8. März startet die UNESCO eine internationale Hilfskampagne zur Rettung der nubischen Tempel von Abu Simbel und Philae. Die einzigartigen Felsentempel im Tal des Nils sind durch den geplanten Bau des Assuan-Staudamms von Überflutung bedroht. Die Rettungsarbeiten dauern mehrere Jahre. Stück für Stück werden die Tempel zerlegt, an eine 65 Meter höher gelegene Stelle versetzt und wiederaufgebaut. Die Gesamtkosten des Projekts betragen über 70 Millionen US-Dollar. Im September 1968 wird das Projekt erfolgreich abgeschlossen. Die Rettung der Tempel von Nubien war das erste weltweite Gemeinschaftsprojekt zur Erhaltung des Kulturerbes. In Abu Simbel wurde die Idee der Welterbekonvention geboren.

Zwischenstaatliche Ozeanographische Kommission (IOC): Die im Juli 1960 von der UNESCO gegründete IOC soll die Erforschung der Meere koordinieren. Im gleichen Jahr startet das erste große Projekt: 40 Forschungsschiffe aus 14 Staaten beginnen mit der ersten umfassenden Untersuchung des Indischen Ozeans. Die Bundesrepublik Deutschland stellt für das fünfjährige IOC-Projekt das Forschungsschiff Meteor II in Dienst (bis 1965).

Generaldirektor Veronese besucht Deutschland: Der UNESCO-Generaldirektor Vittorino Veronese nimmt an der 15. Mitgliederversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission im September in Köln teil.

Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen: Die 11. UNESCO-Generalkonferenz verabschiedet am 14. Dezember in Paris das Übereinkommen. Am 22. Mai 1962 tritt das Übereinkommen in Kraft.

UNESCO-Exekutivrat: Otto von Simson, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der UNESCO, wird zum Mitglied des Exekutivrats gewählt (bis 1964).

Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

1961

UNESCO-Zentren in Bangkok und Beirut: In Bangkok wird ein Regionales Bildungszentrum für Asien, in Beirut ein Zentrum für die Ausbildung von Schulverwaltungsangestellten für die arabischen Staaten eröffnet. Beide Zentren werden später UNESCO-Regionalbüros für Bildung (Bangkok 1962 und Beirut 1973).

Bundespräsident Lübke bei der UNESCO: Im Juni stattet Bundespräsident Dr. Heinrich Lübke als erstes deutsches Staatsoberhaupt dem UNESCO-Sekretariat in Paris einen offiziellen Besuch ab. 

Sammlung traditioneller Weltmusik: Gemeinsam mit dem Internationalen Musikrat ruft die UNESCO die Sammlung traditioneller Weltmusik ins Leben. Die Aufnahmen werden mit dem Ziel zusammengetragen, die Vielfalt und die Bedeutung der Musik rund um den Globus zu dokumentieren. Die Sammlung umfasst über 150 Feldaufnahmen, darunter die Musik der Wassertrommeln aus Kamerun, die Lieder der Inuit aus Kanada oder die Regengesänge der Aborigines in Australien. Seit den 1960er Jahren sind in der Sammlung über 150 Schallplatten und CDs erschienen.

René Maheu wird Generaldirektor: Am 2. November tritt Vittorino Veronese aus gesundheitlichen Gründen zurück. Sein Stellvertreter, René Maheu (Frankreich), wird zum amtierenden Generaldirektor der UNESCO ernannt. Die 12. Generalkonferenz (November 1962) bestätigt Maheu in seinem Amt, das er bis 1974 innehat.

1962

Erste Europäische Erwachsenenbildungskonferenz: Die Konferenz (Hamburg, 29. August bis 4. September) steht unter dem Titel „Bildung und Ausbildung in der Industriegesellschaft“. Sie wird vom UNESCO-Institut für Pädagogik gemeinsam mit der Deutschen UNESCO-Kommission ausgerichtet.

Erdbebenforschung: Mit Hilfe der UNESCO wird in Japan das „Internationale Institut für Seismologie und Erdbebenforschung“ erschaffen.

Studien zum Status von Frauen: Die UNESCO führt eine Reihe von Studien zur Stellung der Frau in der Gesellschaft durch, die in der Zeitschrift „International Social Science Journal“ veröffentlicht werden. Gleichzeitig werden Pilotprojekte zur Förderung des Zugangs von Frauen zur Bildung in Chile, Nepal und Obervolta (heute Burkina Faso) durchgeführt.

1963

Statistisches Jahrbuch: Die erste Ausgabe des „UNESCO Statistical Yearbook“ erscheint. In Ländertabellen dokumentiert das Jahrbuch den Stand der Bildung, Wissenschaft und Technik im internationalen Vergleich. Die Veröffentlichung wird 1999 eingestellt und von einer digitalen Datenbank des UNESCO-Instituts für Statistik abgelöst.

Gründung des Internationalen Instituts für Bildungsplanung: Unter der Schirmherrschaft der UNESCO nimmt das Internationale Institut für Bildungsplanung (IIEP) in Paris im Juli seine Arbeit auf. Aufgabe des Instituts ist es, die Bildungsplanung mit der Wirtschafts- und Sozialplanung in den Mitgliedstaaten abzustimmen und Fachleute auszubilden.

Europäisches Sozialwissenschaftszentrum: In Wien wird ein europäisches Koordinationszentrum für sozialwissenschaftliche Forschung und Dokumentation eingerichtet. Schwerpunkt ist die vergleichende Ost-West-Forschung. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wird das Forschungszentrum 1993 aufgelöst.

Interaktive Karte

Auf dieser Karte finden Sie die weltweiten Aktivitäten und Publikationen des Internationalen Instituts für Bildungsplanung nach Ländern sortiert.

1964

Allgemeine Geschichte Afrikas: Die UNESCO startet das Projekt „General History of Africa“. Ziel des Publikationsprojekts ist es, der weit verbreiteten Unkenntnis über Afrikas Vergangenheit zu begegnen und eine afrikanische Geschichte zu rekonstruieren, die frei sein sollte von rassischen Vorurteilen, die vom Sklavenhandel und von der Kolonisierung herrührten. Um eine afrikanische Sichtweise zu fördern, überträgt die UNESCO einem internationalen wissenschaftlichen Komitee, das zu zwei Dritteln aus Afrikanerinnen und Afrikanern besteht, die Aufsicht des Projekts. Bis zur Vollendung des Geschichtswerks, an dem über 200 Fachleute der Historik aus aller Welt und die seinerzeit größten Spezialistinnen und Spezialisten aus Afrika beteiligt sind, dauert es 35 Jahre. Die ersten beiden Bände erscheinen 1980. Bis 2014 werden insgesamt acht Bände der Allgemeinen Geschichte Afrikas veröffentlicht und in 16 Sprachen, darunter drei afrikanische Sprachen, übersetzt. 

Internationales Zentrum für Theoretische Physik: Auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der UNESCO, der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) und der Regierung Italiens wird am 5. Oktober 1964 in Triest das International Centre for Theoretical Physics (ICTP) eingeweiht. Gründungsdirektor ist der Pakistaner Abdus Salam (Nobelpreisträger für Physik, 1979). Unter seiner Leitung entwickelt sich das ICTP zu einem Zentrum für Spitzenforschung auf dem Gebiet der Theoretischen Physik und einem der weltweit wichtigsten Ausbildungszentren für Forschende aus Entwicklungsländern.

Bundesrepublik Deutschland im Exekutivrat: Im Oktober wird Hans-Joachim von Merkatz für die Bundesrepublik Deutschland (bis 1968) in den Exekutivrat der UNESCO gewählt.

Stärkung des UNESCO-Programms für Naturwissenschaften: Die 13. UNESCO-Generalkonferenz (Paris, 20. Oktober bis 20. November) beschließt, die Mittel für das naturwissenschaftliche Programm zu verdoppeln. Künftig soll das Wissenschaftsprogramm der UNESCO stärker auf den Nutzen von Wissenschaft und Technologie für Entwicklung ausgerichtet werden. Unter anderem wird die Veröffentlichung einer geologischen Karte Afrikas und die Ausrichtung einer Expertenkonferenz zur Zusammenarbeit bei der Luftaufklärung natürlicher Ressourcen beschlossen.

arbeiten 35 Jahre lang an der Vollendung des Geschichtswerks „General History of Africa“

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