Welterbe in Deutschland

Glück auf! Die Montanregion Erzgebirge ist Welterbe

Im Juli 2019 ernennt das UNESCO-Welterbekomitee die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří zum Welterbe. Im Porträt stellen Insider die sächsisch-böhmische Bergbauregion vor.

Alles kommt vom Bergwerk her, so lautet ein alter Bergmannsspruch. „Und das stimmt auch“, sagt Volker Uhlig. Als Metallhüttenfacharbeiter schmolz er jahrelang Zinn ein, später wurde er Landrat von Freiberg. 2003 gründete Uhlig den Welterbe-Förderverein, dessen Vorsitzender er viele Jahre war. „Man kann jegliche historische Aktivität im Erzgebirge mit dem Bergbau in Verbindung bringen – ob die Nutzung von Wasserkraft für die Bergwerke, die Rodung des Waldes für Holzkohle oder die Entwicklung von Straßennetzen“, erklärt Uhlig. „Und natürlich gehört auch unsere Glück-auf-Mentalität dazu: Wir Erzgebirgler grüßen einander stets mit einem herzlichen ‚Glück auf!‘ und pflegen Traditionen wie die Bergaufzüge.“

Im Juli 2019 hat das UNESCO-Welterbekomitee in Baku die Kulturlandschaft Erzgebirge als Welterbe anerkannt. Zur „Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří“ zählen 17 Teilgebiete in Sachsen und fünf Teilgebiete im benachbarten Tschechien. Von Bergbaueinrichtungen wie Bergwerken und Schächten über Städte mit charakteristischer Architektur, Wassermanagementsystemen und Transportwegen bis hin zu Forstgebieten und Halden in der Landschaft – die Montanregion ist eine vielseitige Welterbestätte, geprägt von mehr als 800 Jahren Erzgewinnung.

Bergbau mit jahrhundertelanger Tradition

Die Bergbaugeschichte der Region geht zurück auf erste Silberfunde im Jahr 1168 in der Nähe der heutigen Stadt Freiberg: Der Legende nach fanden Kaufleute aus Halle Silberlocken an einem Bachlauf. Von da an siedelten Bergleute, Handwerker und Abenteuerlustige in der Gegend, entdeckten weitere Erze und nichtmetallische Rohstoffe wie Kalk und Steinkohle. Und weit mehr als das: Die Menschen im Erzgebirge entwickelten Organisationsformen und Technologien, die die Wirtschaft, staatliche Systeme und gesamtgesellschaftliche Umbrüche wie die Industrialisierung in Mitteleuropa maßgeblich prägten. Im 16. Jahrhundert etwa wurden die Verwaltung und Führung der Bergwerke verstaatlicht. Die neue Bergbaubürokratie legte den Grundstein für ein frühkapitalistisches Zahlungssystem: Die erstmals 1520 geprägten Silbertaler dienten mehrere Jahrhunderte als Vorbild für die Währungssysteme in vielen europäischen Staaten und gelten als Vorgänger des Dollars. Auch die Bergparade, die seit 2016 als Immaterielles Kulturerbe im Bundesweiten Verzeichnis gelistet sind, zeugen vom staatlich organisierten Bergbau.

Im erzgebirgischen Freiberg entstand auch die älteste noch bestehende Bergakademie, gegründet 1765. Hier forschten namhafte Wissenschaftler, die das Wissen weit über die Region und Europa hinaustrugen – etwa Abraham Gottlob Werner, der als Mitbegründer der modernen Montanwissenschaft gilt, und der Naturforscher Alexander von Humboldt.

Im 20. Jahrhundert wurden die Bergwerke sukzessive stillgelegt. Ungenutzt sind sie dennoch nicht: Die Technische Universität Bergakademie Freiberg nutzt einige der alten Schächte für Lehre und Forschung, zum Beispiel zu Robotik, Aufbereitungstechnik und Nachnutzung von Industriebrachen. Zudem halten viele Einzelpersonen und Vereine die Schächte, Lichtlöcher und Hütten instand und führen dort kreative Aktionen und Bildungsprojekte durch. „Dass die Montanregion Erzgebirge zum UNESCO-Welterbe ernannt worden ist, ist eine große Würdigung für das Engagement der Menschen, die seit vielen Jahren ihr Erbe – und weltweit bedeutsames Erbe – bewahren und vermitteln“, sagt Friederike Hansell, Welterbe-Beauftragte des Freistaats Sachsen.

Helmuth Albrecht und Friederike Hansell im Interview

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Bildung vor Ort und über Grenzen hinweg

Um den Schutz, Erhalt und die Vermittlung der Montanregion als Welterbe sicherzustellen, arbeiten die Kultusministerien in Deutschland und in Tschechien eng zusammen. „Wir wollen gemeinsam diese Region in Mitteleuropa zu einem einheitlichen Kulturraum entwickeln. Dafür haben wir ein gemeinsames Vermittlungskonzept erarbeitet, das die Stärken und Besonderheiten der Region aufzeigt, und setzen konkrete Projekte um“, erklärt Prof. Dr. Helmuth Albrecht, Leiter der Welterbe-Projektgruppe an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Seit vielen Jahren schon kooperieren sächsische und böhmische Museen miteinander. Es gibt Weiterbildungen zum Thema Welterbe für Lehrkräfte, Stadtführerinnen und Touristik-Fachleute. Für Kinder und Jugendliche werden Unterrichtsmaterialien entwickelt und Schulprojekte gefördert.

Das Gymnasium Marienberg etwa widmete 2015 seine Projektwoche dem Thema „Montanität – wir wollen Welterbe“. Dabei lernten die Schülerinnen und Schüler auf kreative Weise mehr über den Bergbau und ihre Heimat sowie über die Bedeutung der Montanregion als Welterbestätte. Sie präsentierten ihre Ergebnisse etwa in einer Modenschau „Aus Erz mach Kleid“, einer Theateraufführung und einer Ausstellung „Zeitenwanderung. Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe“.

„Ein Schatz, den es zu entdecken gilt“

Steffen Börner ist Kunstlehrer am Marienberger Gymnasium und hat die Projektwoche damals mit initiiert. Er setzt sich seit vielen Jahren für die Themen Erzgebirge und Welterbe in der Schule ein. „Man muss den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass das Erzgebirge ein Schatz ist, in dem sie leben und den es immer wieder neu zu entdecken gilt. Wenn sie nach der Schulzeit die Region verlassen, etwa um zu studieren, tragen sie ihr Wissen hinaus in die Welt und erzählen über das Erzgebirge und die Montanität.“

Steffen Börner ist die Vermittlung des Welterbes an seiner Schule ein Herzensanliegen. Die Ernennung der Montanregion Erzgebirge zur Welterbestätte sieht er als Chance, die Heimatverbundenheit bei jungen Menschen zu stärken. „Das Erzgebirge ist viel mehr als nur Bergbau. Um den Bergbau herum ist im Laufe der Jahrhunderte eine eigene Welt entstanden, die letztendlich die Welt im Ganzen widerspiegelt. Dazu gehören Wissenschaft, Architektur und Kultur – und nicht zuletzt ein großes Miteinander.“

Steffen Börner im Interview

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