Welterbe vermitteln

Kulturelle Zeugnisse Syriens und des Iraks im Herzen Berlins – Geflüchtete im Dialog über Kultur, Erbe und Identität

Über 6.500 Besucher bisher, 24 passionierte junge Museumsführer, eine Auszeichnung mit dem "Sonderpreis für kulturelle Teilhabe geflüchteter Menschen" der Staatsministerin für Kultur und Medien und als "Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ sowie als „Bundessieger Kultur im Land der Ideen“ – das Projekt "Multaka: Treffpunkt Museum – Geflüchtete als Guides in Berliner Museen" ist ein wahrer Erfolg und ein beeindruckendes Beispiel, wie Integration durch Kultur gedacht und gestaltet werden kann.

Zoya Masoud engagiert sich als Museumsführerin im Museum für Islamische Kunst. Sie hat der Deutschen UNESCO-Kommission von ihren Eindrücken und Erfahrungen berichtet. Das Gespräch wurde im August 2016 geführt.

Mitarbeiter des Syrian Heritage Archive Project, einer Kooperation des Museums für Islamische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI), entwickelten 2015 die Idee zu dem ambitionierten Projekt, welches Geflüchteten die Möglichkeit bietet, Führungen in vier Berliner Museen in arabischer Sprache kostenlos wahrzunehmen. Damit soll ein positiver Akzent gesetzt werden, der die Wiederentdeckung der eigenen Kultur der bedrückenden Situation vieler Geflüchteter in überfüllten Aufnahmezentren und angesichts langwieriger Asylprozesse entgegensetzt.

Wie Zoya Masoud erklärt, stand am Anfang die Überzeugung, dass Kultur und interkulturelle Verständigung die Integration fördern. Ein durch die Erfahrung des eigenen kulturellen Erbes gestärktes Selbstbewusstsein eröffnet den Weg zur Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft und zum Austausch der Kulturen. So ist die syrische Geschichte in besonderem Maße durch Einflüsse vieler Kulturen, Religionen und Ethnien geprägt und kann als positives Symbol für ein friedliches Zusammenleben stehen. Als Gemeinschaftsprojekt von drei Museen der Welterbestätte Museumsinsel Berlin – dem Museum für Islamische Kunst, dem Vorderasiatischen Museum, der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst (Bode-Museum) – sowie dem Deutschen Historischen Museum ermöglicht "Multaka: Treffpunkt Museum" darüber hinaus den direkten Dialog der Kulturen der Geflüchteten mit der deutschen Geschichte und Kultur. Insbesondere das Deutsche Historische Museum bietet einen Eindruck, wie zerstörte Städte und Gesellschaften nach einem Krieg wiederaufgebaut werden können, und gibt den vor dem syrischen Bürgerkrieg Geflüchteten Hoffnung für die Zukunft ihres eigenen Landes.

Der Dialog steht im Mittelpunkt

Mit der Ausrichtung auf kulturellen Dialog und Austausch lebt das Projekt "Multaka: Treffpunkt Museum" den Geist der UNESCO, deren Verfassung das Ziel setzt, durch Kultur und Bildung den Frieden im Geiste der Menschen zu verankern. Die Museumsführerinnen und Museumsführer, selbst Geflüchtete und oftmals ohne vorherige Erfahrung im Museumsbereich, wurden im Rahmen ihrer Schulung nicht nur mit den Ausstellungsstücken vertraut gemacht, sondern auch zu Vermittlern im Dialog zwischen Besuchern und Objekten ausgebildet.

Zoya Masoud schildert eindrucksvoll, wie sich dieser Dialog in den Führungen gestaltet: "Viele Besucher erkennen kulturelle Objekte aus ihrem syrischen Alltag wieder, fühlen sich an ihre Heimat erinnert." Die Führungen werden so zu Gesprächen über persönliche Erfahrungen und Erinnerungen und münden im Austausch über die eigene und die neue Kultur im Aufnahmeland, über Religion und Geschichte. Die Führungen auf Arabisch ermöglichen den Besuchern aus Syrien sowie dem Irak, den Palästinensischen Gebieten, Ägypten, Jordanien oder dem Sudan, sich in ihrer eigenen Sprache zu verständigen und so zum Erlebnis der Führungen beizutragen. Für Zoya Masoud selbst ist es das sogenannte Aleppo-Zimmer im Museum für Islamische Kunst, das ihr am meisten am Herzen liegt. Für sie spiegelt es viele der Einflüsse wider, die die syrische Kultur heute ausmachen: "Es ist schön, zu sehen, wie reich das Kulturerbe dadurch ist, dass es immer offen war und von anderen Kulturen viel übernommen hat."

Es ist dieser vielfältige Austausch, der das Projekt so besonders macht – ein Dialog über ganz persönliche Bezüge zu Geschichten und Erinnerungen aus der eigenen Kultur sowie der Austausch mit anderen Kulturen, über Träume und Traumata, über die identitätsstiftende und verbindende Wirkung von Kultur auf einer ganz persönlichen Ebene.

Bei jeder Führung lernen auch die Guides Neues dazu: Kulturelles Erbe wird lebendig, löst sich von rein wissenschaftlichen Untersuchungen und wird greifbar, wenn die Teilnehmenden von ihrer persönlichen Sicht auf ihre Kultur, von ihrem Leben in Welterbestätten, wie Aleppo, vor und nach der Zerstörung berichten. Insbesondere für traumatisierte Geflüchtete kann das Wiedererleben des eigenen kulturellen Erbes stabilisierend wirken und "innere Freude" bringen, wie Zoya Masoud es ausdrückt.

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