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Katastrophenschutz für das Welterbe

Der verheerende Brand der Kathedrale Notre-Dame führt vor Augen, wie leicht und oftmals völlig unerwartet Welterbestätten durch Brände, Überschwemmungen, Erdbeben oder andere Katastrophen beschädigt werden können. Mit der UNESCO-Welterbekonvention hat sich die Weltgemeinschaft zu Solidarität und Zusammenarbeit gerade in diesen schwierigen Situationen verpflichtet.

Als architektonisches Meisterwerk des Mittelalters ist die gotische Kathedrale Notre-Dame ein wesentlicher Bestandteil der UNESCO-Welterbestätte „Paris, Ufer der Seine“. Das Dachgestühl der zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erbauten Kathedrale ist am 15. April 2019 in nur wenigen Stunden fast völlig ausgebrannt. Konnte der steinerne Bau selbst mit seinen zwei Türmen an der Westfassade auch größtenteils gerettet werden, ist der Schaden am Bauwerk doch erheblich. Sicherungsmaßnahmen und Wiederaufbau werden Zeit brauchen und nur mit den Kenntnissen von Fachleuten und spezialisierten Handwerkern zu bewerkstelligen sein. Die UNESCO hat Frankreich ihre volle Unterstützung beim Wiederaufbau angeboten und ein Expertenteam zusammengestellt.

Wiederaufbau und Restaurierung – herausragende Expertise erforderlich

Traditionelles Wissen und Können zu bewahren, zu vermitteln und weiterzugeben – diesem Ziel hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes 2003 verpflichtet. In vielen Fällen ist die Weitergabe von Handwerkskunst und -wissen ein wesentlicher Faktor, um Erbestätten in ihrer Substanz langfristig erhalten und im Katastrophenfall retten zu können. So stellt etwa die besondere Erfahrung der Mitarbeitenden der Dombauhütten in Deutschland, Frankreich und weiteren europäischen Staaten eine wichtige Chance für den Wiederaufbau Notre-Dames dar.

Seit die Herzogin Anna Amalia Bibliothek als Teil der Welterbestätte „Klassisches Weimar“ 2004 einem Brand zum Opfer fiel, ist es die grenzüberschreitende Kooperation zahlreicher Expertinnen und Experten, die eine Erbegerechte Restaurierung ermöglicht. Ohne sie und ihr spezifisches Können zu Buchrestaurierungen wären die Verluste an Wissen und kulturellem Erbe noch verheerender und unwiderruflich gewesen.

Gefährdung und Katastrophenschutz

Brände wie in Paris und Weimar, Überschwemmungen wie an der Welterbestätte „Gartenreich Dessau-Wörlitz“ im Jahr 2013 oder das zerstörerische Erdbeben in Nepal 2015 – Katastrophen können Welterbestätten jederzeit treffen und zu Beschädigung oder gar Verlust des gemeinsamen Erbes der Menschheit führen. Gemäß der Zielsetzung der Welterbekonvention von 1972 wurden für diese Fälle nicht nur Verfahren zur internationalen Unterstützung betroffener Welterbestätten entwickelt. Das UNESCO-Welterbezentrum, die internationalen Beraterorganisationen und weitere Akteure aus Praxis und Wissenschaft haben auch Richtlinien und Empfehlungen für Katastrophenschutz entwickelt und umgesetzt. Diese umfassen Präventionsmaßnahmen ebenso wie Notfallpläne für die Evakuierung beweglichen Erbes im Katastrophenfall sowie Vorkehrungen für einen schnellen und zugleich langfristig sinnvollen Wiederaufbau. Zu den grundlegenden Dokumenten gehört das Handbuch „Katastrophenschutz an Welterbestätten“, welches die Deutsche UNESCO-Kommission 2017 in deutscher Fassung veröffentlicht hat. Die darin festgehaltene Expertise soll nun auch helfen, den Wiederaufbau von Notre-Dame denkmalgerecht zu gestalten.

Hintergrund: Welterbestätte „Paris, Ufer der Seine“

Die 1991 in die Welterbeliste eingeschriebene Stätte wird geprägt von einer Vielzahl einzelner Monumente, die außergewöhnliche Beispiele der menschlichen Schöpferkraft (Aufnahmekriterium i) darstellen. Sie bilden zugleich gemeinsam mit dem Fluss ein einzigartiges Ensemble mit Stil- und Baueinflüssen aus acht Jahrhunderten (Aufnahmekriterium iv). Die Kathedrale Notre-Dame und die in der Nähe gelegene Kapelle Sainte Chapelle waren wegweisend für die Verbreitung der Gotik in ganz Europa, während die städtebauliche Gestaltung des Seine-Umfeldes im 19. Jahrhundert durch Haussmann zum Vorbild des Städtebaus weltweit wurde (Aufnahmekriterium ii).

Publikation

Katastrophenschutz an Welterbestätten.
Deutsche UNESCO-Kommission, 2017