Auf ein Wort,

Die verbindende Kraft des Welterbes

Patricia Alberth

Patricia Alberth
Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg

Vielfältiges Erbe vermitteln, Nachhaltigkeit im und durch das Welterbe leben - Eindrücke aus dem Welterbe-Management in der Altstadt von Bamberg

Im Europäischen Kulturerbejahr 2018 feiert die Altstadt von Bamberg ihr 25-jähriges Jubiläum als Welterbestätte. Für das Welterbe zu begeistern, dessen Werte verständlich zu machen und das kulturelle Erbe nachhaltig zu schützen – diese Aufgaben stellen sich unter anderem dem Zentrum Welterbe Bamberg. Welche konkreten Herausforderungen ergeben sich für die Vermittlungsarbeit in einer Stadt reich an kulturellem Erbe? Wie hängt das Welterbe in Bamberg mit Europa und nachhaltiger Entwicklung zusammen? Patricia Alberth, Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg, berichtet hier von ihrer Arbeit und erläutert, wie Welterbe in der heutigen Zeit Menschen verbindet.

Frau Alberth, Sie sind nun seit über vier Jahren Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg und waren zuvor unter anderem für die UNESCO in Paris und Bangkok tätig. Was bedeutet das Welterbe für Sie persönlich, in Bamberg und darüber hinaus? Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit in Bamberg und wie bringen Sie Ihre Erfahrungen ein?

In den acht Jahren bei der UNESCO konnte ich nicht nur anspruchsvolle Projekte wie den Aufbau der Asian Academy for Heritage Management realisieren, sondern auch Erfahrung sammeln, wie sich kulturelles Erbe effektiv schützen und vermitteln lässt. Als Welterbemanagerin habe ich die nötigen Gestaltungsfreiräume, um dieses Wissen anzuwenden. Das große Glück in Bamberg ist, dass Bürgerschaft, Politik, Unternehmen und Wissenschaft das Welterbe mit Herzblut und tatkräftiger Unterstützung mittragen. Welterbe besitzt eine verbindende Kraft. Diese verbindende Kraft, Zusammengehörigkeitsgefühl und Respekt sind ungeheuer wertvoll in der aktuellen konfliktgeladenen Zeit.

Bamberg ist mit ihrer Altstadt nicht nur seit 25 Jahren Welterbestätte, die Stadt ist mit dem Lorscher Arzneibuch und den Reichenauer Prachtschriften auch Ort des Weltdokumentenerbes sowie des Innerstädtischen Erwerbsgartenbaus, welcher als Immaterielles Kulturerbe ins Bundesweite Verzeichnis eingetragen ist. Wie können sich diese Kulturerbeformen in Ihren Augen ergänzen und welchen Herausforderungen muss bei der Bewahrung dieser (Kultur)Erbeformen begegnet werden?

Die größte Herausforderung ist sicherlich, ein Verständnis für die Unterschiede zwischen Welterbe, Weltdokumentenerbe und immateriellem Kulturerbe aufzubauen, auch wenn in Bamberg die drei Kategorien eng miteinander verflochten sind. Bereits seit dem Mittelalter wird in Bamberg urbaner Gartenbau betrieben. Der europaweite Handel mit Sämereien und Süßholz war ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Von den einst über 500 Gartenbaubetrieben sind heute noch etwa 40 aktiv. Einige davon betreiben noch heute auf den historischen Anbauflächen des Welterbes, das die Gärtnerstadt einschließt, Erwerbsgartenbau. Was unser Weltdokumentenerbe betrifft, so ist die Bamberger Apokalypse, die zu den Reichenauer Prachtschriften zählt, eine Schenkung unserer Stadtgründer Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde an das Bamberger Kollegiatstift St. Stephan. Die Kolleginnen und Kollegen, die das Weltdokumentenerbe und das immaterielle Kulturerbe betreuen, sind für das Zentrum Welterbe Bamberg wichtige Partner.

Das Zentrum Welterbe Bamberg ist sehr aktiv in der Welterbevermittlung. So haben Sie 2016 eine Lehrerfortbildung ausgerichtet und erst vor kurzem die Materialsammlung „welterbe.elementar“ zur Verwendung im Unterricht herausgegeben. Warum ist diese Vermittlungsarbeit so wichtig? Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Vermittlung?

Über unsere Vermittlungsarbeit möchten wir Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler für das kulturelle Erbe, das uns tagtäglich umgibt, sensibilisieren, ihnen ihre Verantwortung bewusst machen und sie dazu ermutigen, sich aktiv in die öffentliche Debatte zum Umgang mit unserem Erbe einzubringen. Angesichts von komplexen globalen Zusammenhängen fördert dies kritisches und vernetztes Denken, das unabdingbar ist, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und die Zukunft umsichtig zu gestalten. Dabei ist es wichtig, auch unkonventionelle Wege zu gehen und zu zeigen wie Dinge, die hunderte von Jahren alt sind, heute noch für uns relevant sind. Dieser Spagat ist uns vergangenes Jahr mit unserem PopUp-Besucherzentrum in einem leerstehenden Ladengeschäft sehr gut gelungen. Hier fand ein intensiver Austausch mit der Bevölkerung einschließlich Kindergartengruppen, Schulklassen und Studierenden statt. Darüber hinaus sind wir in den sozialen Medien aktiv. Auch das temporäre Graffiti des Künstlers Klaus Dauven, dass durch die Teilreinigung einer Brücke mitten im Welterbe entstanden ist und 21 Portraits junger Menschen zeigt, stellt den Bezug zwischen Alt und Neu her.

Wir feiern in diesem Jahr sowohl 25 Jahre Welterbe Altstadt Bamberg als auch das Europäische Kulturerbejahr 2018. Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht Europa für das Bamberger Erbe und wiederum das Bamberger Erbe für Europa? Und wie können in der Welterbevermittlung auch europäische Werte und Zusammenhänge betont werden?

In Bamberg finden sich viele europäische Einflüsse, die Teil unseres außergewöhnlichen universellen Wertes sind: die Westtürme des Doms, die samt „Domkühen“ eine Kopie der Türme der Kathedrale Notre-Dame im nordfranzösischen Laon sind oder die Scheinkuppel des Freskanten Giovanni Francesco Marchini aus Como in der Martinskirche, um nur zwei zu nennen.

Bezüglich der Bedeutung des Bamberger Erbes für Europa brauchen wir uns nur unseren außergewöhnlichen universellen Wert ansehen: „Ab dem 11. Jahrhundert übten der Grundriss und die Architektur des mittelalterlichen und barocken Bambergs einen starken Einfluss auf Städtebau und -entwicklung in Mitteleuropa aus.“

Vermitteln heißt Verstehen ermöglichen. Auf Bamberg bezogen kann dies dadurch geschehen, dass wir Hilfestellung geben, um die Stadt lesen zu können, um die unterschiedlichen Einflüsse in der historischen Bausubstanz dekodieren zu können. Diesen Anspruch haben wir an unser Welterbe-Besucherzentrum, das im Mai 2019 eröffnet wird.

Welterbestätten sind nicht nur angehalten, für aktuelle und kommende Generationen zu bewahren; sie können und sollten ihrerseits einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) leisten. Was bedeutet dies konkret für das Welterbe Altstadt von Bamberg?

Nachhaltigkeit bezieht sich auf soziale Teilhabe, auf wirtschaftliche und Umweltaspekte. Wir stehen im permanenten Dialog mit der Bevölkerung zu Welterbefragen und bemühen uns besonders um die Einbeziehung jüngerer Menschen. Mit unserer Gärtnerstadt haben wir frisches Gemüse direkt vor der Haustür und tragen durch kurze Transportwege aktiv zum Klimaschutz bei.

Die Nutzung regenerativer Energien ist in einer Welterbestadt zugegebenermaßen etwas eingeschränkt. Unter Rücksichtnahme auf die visuelle Integrität des historischen Ensembles verzichten wir auf Solaranlagen und Windräder. Die Nutzung der Wasserkraft hingegen ist geschichtlich in der Stadt verwurzelt und wird im neuen Welterbe-Besucherzentrum mitten im Mühlenviertel fortgeführt.

Denkmalpflege ist für mich Inbegriff wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Sie sollte deshalb nicht nur als Strategie im Umgang mit Zeugnissen der Vergangenheit verstanden werden, sondern als tragfähige Zukunftsstrategie. Umfassend wird diese Frage in der neuen Routledge-Publikation „World Heritage and Sustainable Development – New Directions in World Heritage Management“ beantwortet, die ein ganzes Kapitel über Bamberg enthält.

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