Auf ein Wort,

„Da wo es keine Gendergleichheit gibt, ist die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen gefährdet“

Prof. Dr. Gabriele Beger

Prof. Dr. Gabriele Beger
Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg und Mitglied im DUK-Fachausschuss Kultur

Auch im Jahr 2017 ist Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur- und Medienbranche noch in weiter Ferne. Kultur- und Kreativfrauen brauchen bessere Aufstiegschancen, mehr Mitsprache in Gremien und Jurys, faire Bezahlung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist längst überfällig, wie nicht zuletzt der zweite deutsche Staatenbericht zur Umsetzung der 2005er UNESCO-Konvention über die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zeigte. Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur- und Medienbranche ist eines der Kernziele der UNESCO-Konvention im Bereich „Menschenrechte und Grundfreiheiten“. Die UNESCO-Strategie „Priority Gender Equality Action Plan“ für die Jahre 2014 bis 2021 bietet zudem den operativen Rahmen, um Geschlechtergerechtigkeit als prioritäres Ziel in allen Arbeitsbereichen der UNESCO zu realisieren. Verstärkt wird diese Zielsetzung durch Ziel 5 der UN-Nachhaltigkeitsagenda von 2015, in dem die Staatengemeinschaft sich vornimmt, bis 2030 Geschlechtergleichstellung zu erreichen. Für die erfolgreiche Umsetzung des Grundrechts auf Gleichberechtigung und der UNESCO-Konvention über die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ist es maßgeblich, dass weitere Fortschritte bei der Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen in Deutschland und weltweit erzielt werden.

Wo stehen wir in Deutschland in punkto Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien?

Eine viel beachtete Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien“ untersuchte einen repräsentativen Zeitraum von über 20 Jahren zwischen 1994 und 2014 und belegt, dass es durchaus eine Reihe von Verbesserungen in der Chancengleichheit von Frauen zu verzeichnen gibt. Die Studie zeigt aber auch, dass wesentliche Fragen, wie gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Führungspositionen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf keinesfalls in allen Branchen des Kultur- und Medienbereichs gelöst sind. Dennoch ist positiv herauszustellen, dass das Thema Geschlechtergerechtigkeit prominent auf der politischen Agenda steht, viele Förderlinien geschaffen wurden, Forschung aktiv betrieben wird und Gleichstellungsmaßnahmen an den Kunst- und Musikhochschulen äußerst präsent sind. Das sind überaus wichtige Meilensteine.

Welche Auswirkungen hat die bestehende Geschlechterungerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich für unsere Gesellschaft in Deutschland?

Unsere Kultur wird durch alle Geschlechter bestimmt und wenn davon eins unterrepräsentiert ist, fehlt ein wichtiges Element. Bei der Geschlechtergerechtigkeit geht es nicht allein darum, dass ein Geschlecht schlichtweg Beachtung finden soll, sondern um Gerechtigkeit und Vollkommenheit einer gesellschaftlichen Kultur. Wir erhalten ein schiefes Bild, wenn einzelne Kulturbereiche nur Ergebnisse männlicher Tätigkeit zeigen können. Ganz hart gesprochen, da wo es keine Gendergleichheit gibt, ist die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen gefährdet. Sie kennen das bestimmt auch, wenn eine Dirigentin auftritt, hört man förmlich das Denken im Saal, mal sehen, ob die es schafft? Hingegen gilt es zwischenzeitlich als selbstverständlich wenn eine Museums- oder Bibliotheksdirektorin vorgestellt wird. Bei dem Beispiel der Dirigentin wird deutlich, wie die Gesellschaft es hinnimmt, eine Branche männlich zu sehen und damit die andere Hälfte der Gesellschaft als eher nicht geeignet katalogisiert. Viele Jahrzehnte haben Frauen um ihre Gleichberechtigung gekämpft. Sie ist sogar verbrieftes Grundrecht in unserer Verfassung, aber auch die Verpflichtung des „Staates zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung…und Beseitigung bestehender Nachteile“. Hier haben wir gemeinsam noch einiges zu tun.

Als Direktorin einer großen deutschen Bibliothek die Frage an Sie: Wie sieht es mit guten Förderstrategien im Bibliotheksbereich aus? Wo bestehen weiterhin zentrale Hindernisse?

Der Bibliotheksbereich lässt sich dem Grunde nach für gelungene Förderstrategien vorstellen. Es gibt in allen öffentlichen Unternehmen gesetzlich vorgeschriebene Gleichstellungspläne, die auch das Ziel einer möglichst paritätischen Besetzung mit allen Geschlechtern und konkrete Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Ziele definieren. Die Gleichbehandlung bei der Vergütung ist durch Tarifvertrag geregelt. In der Praxis stößt dennoch die eine oder andere Bibliothek an ihre Grenzen, wenn sich vor allem für Führungspositionen und in dem fürs Bibliothekswesen immer wichtiger werdenden IT-Bereich nur wenige weibliche Bewerberinnen vorstellen. Das liegt weniger daran, dass die Arbeitgeber Männer bevorzugen würden, sondern daran, dass sich immer noch weniger Frauen für ausgewiesene Führungspositionen geeignet finden. Auch die Öffnungszeiten bis weit in den Abend und am Wochenende stellen so manche Angestellte vor große Herausforderungen. In der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg legen wir neben den Verpflichtungen aus dem Gleichstellungsplan großen Wert auf Personalentwicklung, Training für Führungspersonal, Teamfeedbackgespräche und Telearbeit zur Unterstützung von Beruf und Familie, aber auch auf ein innerbetriebliches Gesundheitsmanagement. Die Maßnahmen werden genauso von Frauen und Männern wahrgenommen und kein Geschlecht ist heute in der Staatsbibliothek unterrepräsentiert. Wir tragen den Titel familienfreundliches Unternehmen, was wieder sehr stark auch junge weibliche Bewerberinnen ins Haus lockt. Kurzum: die Aufstellung von Förderplänen ist nur ein erster Schritt. Nach einer Analyse der konkreten Bedarfe sollten geeignete Maßnahmen Bestandteil der Unternehmensstrategie werden.

Der UNESCO-Weltbericht 2015 zur Umsetzung der 2005-er Konvention über die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen resümiert, dass viele Länder Maßnahmen ergriffen haben, um die Beiträge von Frauen zur Kreativwirtschaft zu stärken. Wo kann sich Deutschland international noch etwas abgucken?

Wenn wir zum Beispiel nach Norwegen, Niederlande oder Finnland schauen, so finden wir hier eine beherzte politische Agenda für die Frauenförderung in Chefetagen. Selbst unser Nachbar Österreich – dort sollen bis 2018 40% der Aufsichtsräte mit Frauen besetzt sein – hat hier Deutschland gegenüber einen Vorsprung. Nur wer den Analysen und Diskussionen auch Taten folgen lässt, wird erfolgreich sein können. In diesem Zusammenhang ist beispielweisend der Runde Tisch der Staatsministerin für Kultur und Medien herauszustellen. Es ist ein wichtiger Schritt in Deutschland getan, nun aber kommt es darauf an, dass es konkrete Maßnahmen gibt, die Frauen in den Kreativberufen die gleichen Chancen und die gleiche Bezahlung ermöglichen, die zur Not einklagbar sind. Nicht weil ich eine Juristin bin, sondern aus Überzeugung rate ich dazu, Gleichstellung nicht allein der freiwilligen Einsicht zu überlassen, sondern auch rechtlich zu verankern.

Deutschland setzt sich auf nationaler Ebene für die Gleichstellung der Geschlechter im Kultur- und Medienbereich ein. Welche Rolle könnte Deutschland spielen, um das Thema international weiter zu stärken?

Für mich hat der „Runde Tisch - Frauen in Kultur und Medien“ der Staatsministerin Monika Grütters eine herausragende Bedeutung. Mir ist kein anderes Land bekannt, in dem unmittelbar bei der Regierung das Thema Chancengleichheit durch Einbeziehung von Repräsentantinnen aus allen Bereichen der Kultur und Medien eine derart systematische Aufarbeitung erfährt. International bleibt der Fokus meist auf Führungspositionen beschränkt. Mit der Langzeit-Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien“ wurde den Beteiligten zudem eine Arbeitsgrundlage an die Hand gegeben, auf der aufbauend konkrete Lösungen erarbeitet werden können. Die Methoden und Ergebnisse des Runden Tisches sollten international öffentlichkeitswirksam verbreitet werden, um somit ein Modell der Initiierung des Themas auch in anderen Staaten zu verstärken. Besondere Beispielwirkung hat auch die Berücksichtigung der Genderfragen an Kunst- und Musikhochschulen in Deutschland, die es gilt, international bekannt zu machen. Es sind meines Erachtens zwei Wege zur Verstärkung des Themas auf internationaler Ebene zu favorisieren: konkrete Maßnahmen für die politische Agenda und die Herausstellung sogenannter Guter-Praxis-Beispiele.

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