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Beispielloser Verlust von Naturerbe und natürlicher Vielfalt

Der Weltbericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) zur Artenvielfalt und Ökosystemen wurde am 6. Mai bei einer IPBES-Sitzung am UNESCO-Hauptsitz in Paris angenommen. Die Autoren des Berichts warnen: Die Rate des Artensterbens steigt immer stärker, die Gesundheit der Ökosysteme verschlechtert sich schneller denn je. Zum Erhalt der Biodiversität trägt die UNESCO unter anderem mit ihren Biosphärenreservaten, Weltnaturerbestätten und Geoparks bei.

Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht, viele davon innerhalb von wenigen Jahrzehnten. Das sind mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit, so der IPBES-Weltbericht. Im Durchschnitt ist die Zahl der Arten in den meisten Lebensräumen an Land um mindestens 20 Prozent gesunken. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, fast 33 Prozent der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller Meeressäuger sind bedroht. Auch sind bis 2016 bereits mehr als neun Prozent  aller domestizierten Säugetierrassen in der Landwirtschaft ausgestorben, mindestens 1.000 weitere Rassen sind bedroht.

Drei Viertel der Umwelt an Land und zwei Drittel der Meeresumwelt sind durch menschliches Handeln bereits erheblich verändert. Der Wert der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion ist seit 1970 um rund 300 Prozent gestiegen, die Rohholzernte ist um 45 Prozent gewachsen. Rund 60 Milliarden Tonnen Rohstoffe werden heute weltweit jedes Jahr abgebaut – eine seit 1980 fast verdoppelte Menge. Bodendegradation hat die Produktivität von 23 Prozent der globalen Landfläche verringert. Bis zu 577 Milliarden US-Dollar jährlich sind dadurch gefährdet, dass Nutzpflanzen ihre Bestäuber verlieren. 2015 wurden ein Drittel der Meeresfischbestände nicht nachhaltig befischt. Die Verschmutzung mit Plastik hat sich seit 1980 verzehnfacht. 300 bis 400 Millionen Tonnen Schwermetalle, Lösungsmittel, toxischer Schlamm und andere Abfälle aus Industrieanlagen werden jährlich in die Gewässer der Welt gekippt.

IPBES Global Assessment Summary for Policymakers (PDF)

Eine Zusammenfassung des Berichts kann hier auf der Seite des IPBES heruntergeladen werden (Englisch).

UNESCO-Einsatz für biologische Vielfalt

UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay betonte bei der Vorstellung des Berichts in Paris: „Der IPBES-Bericht kommt zu einem für den Planeten und alle seine Bewohner kritischen Zeitpunkt. Gesunde Biodiversität ist die wesentliche Infrastruktur für alle Formen des Lebens auf der Erde, auch des menschlichen Lebens. Wir bereiten uns gerade auf die UN-Biodiversitätskonferenz 2020 in China vor, die die Weichen für einen ökologisch orientierten Weg der nachhaltigen Entwicklung nach 2020 stellen soll. Wir können und müssen uns alle dringend gemeinsam mobilisieren, um unseren Planeten und damit die Menschheit zu retten. Der Schutz der Biodiversität ist ebenso wichtig wie Klimaschutz. Nach der Annahme dieses historischen Berichts wird niemand behaupten können, dass er es nicht wusste.“

Die UNESCO ist eine von vier institutionellen Partnern von IPBES. Sie unterstützt vor allem die IPBES-Task Force für indigene und lokale Wissenssysteme.

Zur Stärkung der Harmonie zwischen Mensch und Natur koordiniert die UNESCO das Weltnetz der Biosphärenreservate; in diesen Kulturlandschaften leben mehr als 250 Millionen Menschen mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Zusammen mit den Schutzgebieten des Weltnaturerbes und den Geoparks ist die UNESCO für eine Gesamtfläche von über 10 Millionen km², eine Fläche so groß wie China, mit-verantwortlich – viel Raum, um die biologische Vielfalt zu erhalten

Transformativer Wandel dringend notwendig

Der IPBES-Bericht demonstriert, dass der Verlust der biologischen Vielfalt kein Umweltthema ist, sondern ein wirtschaftliches, sicherheitspolitisches, soziales und moralisches Problem mit gravierenden Auswirkungen für alle Menschen weltweit. Die gegenwärtigen Gegenmaßnahmen seien unzureichend, es komme vor allem darauf an, für das Gemeinwohl die Gegnerschaft durch bestimmte Interessensgruppen zu überwinden. Laut Robert Watson, dem Vorsitzenden von IPBES erodieren wir „die Grundlagen unserer Wirtschaft, unsere Lebensgrundlagen, unsere Ernährungssicherheit, unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität weltweit.“ Er plädiert dringend für einen „transformativen Wandel“, um Natur nachhaltig zu erhalten, wiederherzustellen und zu nutzen. „Die Mitgliedstaaten der IPBES-Plenarsitzung haben nun anerkannt, dass transformativer Wandel erwartungsgemäß Widerstand von denen erfährt, die am Status quo interessiert sind, aber auch, dass dieser Widerstand zum Wohle der Allgemeinheit überwunden werden kann“, so Watson.

Zum Weltbericht

Der IPBES „Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services“ ist der umfassendste jemals erstellte zwischenstaatliche Bericht seiner Art, mit innovativen Methoden zur Bewertung von Evidenz. Der Bericht wurde in den letzten drei Jahren von 145 Experten aus 50 Ländern zusammen mit Beiträgen von weiteren 310 Autoren erstellt. Er bewertet den Wandel der letzten fünf Jahrzehnte und vermittelt ein umfassendes Bild des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlichem Wachstum und seinen Auswirkungen auf die Natur. Auf der Basis von rund 15.000 wissenschaftlichen und staatlichen Quellen bietet er auch eine Reihe von Szenarien für die kommenden Jahrzehnte.

Prof. Dr. Josef Settele vom Umweltforschungszentrum Leipzig leitete die Erarbeitung des Berichts zusammen mit Prof. Dr. Sandra Díaz (Argentinien) und Prof. Dr. Eduardo S. Brondízio (Brasilien und USA). „Ökosysteme, Arten, Wildpopulationen, lokale Sorten und Rassen von domestizierten Pflanzen und Tieren – sie alle sind im Rückgang begriffen oder verschwinden. Das Netz des Lebens auf der Erde wird kleiner und franst immer mehr aus“, sagt Prof. Settele. „Dieser Verlust ist eine direkte Folge menschlichen Handelns und stellt eine direkte Bedrohung für das menschliche Wohlergehen in allen Weltregionen dar.“