Zwischenstaatlicher Ausschuss Immaterielles Kulturerbe

28 Neuaufnahmen in die internationalen UNESCO-Listen 2015

Der Zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO für die Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes hat auf seiner Tagung in Windhoek, Namibia, am 1. und 2. Dezember fünf Kulturtraditionen neu in die "Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes" aufgenommen, darunter die Gesangstradition "Glasoechko" aus Mazedonien und die mündliche Erzähltradition "Koogere" aus Uganda. 23 Kulturformen wurden in die "Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes" eingeschrieben. Dazu zählen die Hofreitschule Wien, die Maltechnik "Filete porteño" aus Buenos Aires und die arabische Kaffeekultur.  

Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit

Algerien: Sbuâ – Pilgerreise zum Mausoleum von Sidi El Hadj Belkacem. Anlässlich des Geburtstags des Propheten Mohammed brechen Männer und Frauen des Zanata-Stammes zu einer einwöchigen Pilgerreise auf. Während der alljährlichen Sbuâ besuchen Pilger die Mausoleen von Heiligen im Südwesten der algerischen Sahara und feiern den Tag der Geburt des Propheten gemeinsam mit Gesang und Tanz. Den Höhepunkt bildet der siebte und letzte Tag der Reise, an dem sich Pilger aus der gesamten Gourara-Region vor dem Mausoleum von Sidi El Hadj Belkacem versammeln. Für einen Moment verschmelzen alle Pilgergruppen zu einer Einheit, bevor sie sich wieder trennen und ihre Rückreise antreten. Sbuâ ist für die Zenata-Gemeinschaften ein Ausdruck ihrer religiösen, sozialen und kulturellen Geschichte und Ausdruck gegenseitiger Verbundenheit unter den Gemeinschaften.

Andorra, Frankreich, Spanien: Feuerfeste zur Sommersonnenwende in den Pyrenäen. Mit Einbruch der Nacht tragen die Bewohnerinnen und Bewohner der pyrenäischen Dörfer und Städte zur Sommersonnenwende brennende Fackeln die Berge herunter und stecken traditionell konstruierte Signalfeuer in Brand. Die erstmalige Teilnahme am Fackelabstieg ist insbesondere für junge Männer und Frauen ein bedeutender Moment, da sie den Übergang zum Erwachsenwerden markiert. Darüber hinaus gibt es lokal sehr verschiedene und vielfältige Bräuche rund um die Feuerfeste. Die Tradition der Feuerfeste in den Pyrenäen kann über 1.000 Jahre zurückverfolgt werden und vermittelt den Bewohnern der Pyrenäen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Kontinuität.

Argentinien: Traditionelle Maltechnik Filete porteño in Buenos Aires. Filete porteño ist ein ornamentaler Malstil, mit dem Busse, Geschäftsschilder, Schaufenster und Häuserfassaden in Buenos Aires verziert werden. Merkmale der Filete porteño-Maltechnik sind leuchtende Farben und ein durch Schatten- und Lichtkontraste erzeugter 3D-Effekt. Zu den Hauptmotiven zählen Pflanzen und Tiere, berühmte Persönlichkeiten, religiöse Bilder sowie Schriftzüge, die mit Voluten ("Schneckenformen") und Bändern eingerahmt werden. Der Malstil ist erstmals Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen und wurde seither im Hinblick auf Motive, Materialien und Bildträger stetig weiterentwickelt. Filete porteño ist nicht nur ein ästhetisches Merkmal der Stadt Buenos Aires – durch die Motive (etwa Bilder von Politikern, Berühmtheiten, Redewendungen usw.) wird auch ein Stück kulturelle Geschichte weitergegeben. Meister der Maltechnik geben ihr Wissen und Können auf informellem Wege an Interessierte weiter.

Aserbaidschan: Kupferschmiedekunst in Lahij. Die Herstellung und Verwendung von Kupferwaren hat eine lange Tradition im Kaukasus und insbesondere die Kupferwaren von Lahij sind weit über die Region hinaus bekannt. In den zahlreichen Kupferschmieden der Stadt Lahij werden Krüge, Teller, Schüsseln und andere Alltagsgegenstände aus Kupfer gefertigt. Der Herstellungsprozess besteht aus mehreren Schritten: angefangen beim Schmelzen des Kupfers über das Formen von Blechen bis hin zum Verlöten und Polieren des Kupfers. Der letzte und wichtigste Schritt ist die dekorative Gravur. Dabei verwendet der Meister Muster, die traditionelle Ansichten und Kenntnisse über die Natur widerspiegeln. Die Kupferschmiedekunst wurde traditionell innerhalb der Familie weitergegeben, heutzutage vermitteln Meister ihr Wissen über Verarbeitungstechniken und Materialien an Lehrlinge.

Äthiopien: Fichee-Chambalaalla, Neujahrsfest des Sidama-Volks. Nach mündlicher Überlieferung erinnert das Neujahrsfest an eine Sidama-Frau, die ihre Eltern und Verwandten einmal im Jahr nach ihrer Heirat besucht und die traditionelle Mahlzeit buurisame herstellt, die mit den Nachbarn geteilt wird. Das Fest ist zu einem einigenden Symbol der Sidama geworden. Jedes Jahr bestimmen Astrologen das richtige Datum für das Festival, das dann den Stämmen angekündigt wird. Während des Festivals werden traditionelle Lieder angestimmt und Tänze praktiziert. Daran nehmen die Sidama unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialem Status teil. Kinder gehen von Haus zu Haus und bekommen von ihren Nachbarn buurisame serviert. Das Festival fördert den Austausch und sozialen Zusammenhalt der Sidama-Stämme und der verschiedenen ethnischen Gruppen in Äthiopien.

Bulgarien: Surova-Volksfest in der Region Pernik. Das Surova-Volksfest findet jedes Jahr am 13. und 14. Januar statt, um das neue Jahr nach dem alten Kalender zu feiern. Der Kern der Feier ist ein beliebtes Maskeradenspiel in den Dörfern der Region Pernik. Die Teilnehmer werden in den Dörfern mit einem rituellen Mahl und Geschenken empfangen. Nach dem Volksfest verteilen die Survakari die Geschenke, oft wird das gesammelte Geld an Waisen und arme Menschen gespendet. Die Erfahrung der Teilnahme am Fest ermuntert junge Menschen die Tradition fortzuführen und hebt ihr Selbstwertgefühl. Ganze Familien beteiligen sich über das Jahr an der Herstellung der Masken und der anderen Verkleidungsutensilien. Erwachsene geben ihr Wissen über die Herstellung der markanten Masken und Kostüme an Jugendliche und Kinder weiter.

Demokratische Volksrepublik Korea: Die Zubereitung von Kimchi. Kimchi ist der Überbegriff für in Gewürzen eingelegtes und fermentiertes Gemüse. Die Zutaten und der Herstellungsprozess von Kimchi variieren je nach Klimazone, vorhandenen Gemüsesorten und Vorlieben, sodass es hunderte Variationen des Gerichts gibt. Kimchi wird in Korea täglich zu allen drei Mahlzeiten als Beilage serviert und ist auch bei wichtigen Anlässen wie Hochzeitsfeiern, Feiertagen und Staatsbanketts zentraler Bestandteil von Mahlzeiten. In den Herbstmonaten werden große Mengen an Kimchi eingelegt, die in Tontöpfen gelagert ein ganzes Jahr lang halten. Für die Zubereitung kommen Frauen aus der Nachbarschaft zusammen und tauschen sich über Rezepte und Zutaten aus. Die Kimchi-Zubereitung stärkt so den sozialen Zusammenhalt und die kooperative Zusammenarbeit in der Nachbarschaft.

Ecuador und Kolumbien: Traditionelle Gesänge und Tänze der Marimba-Musik. Marimba-Musik, Gesänge und Tanz sind bedeutende Ausdrucksformen der Menschen afrikanischer Abstammung in der kolumbianischen Südpazifik-Region und der Esmeraldas-Provinz in Ecuador. Marimba ist ein Xylophon aus Palmenholz, dessen Musik von Trommeln und Maracas-Rasseln begleitet wird. Bei rituellen, religiösen und festlichen Veranstaltungen werden von Männern und Frauen zur Marimba-Musik gesungene Geschichten und Gedichte vorgetragen und durch rhythmische Bewegungen des Körpers begleitet. Marimba-Musik ist stark im Alltag der Gemeinschaft verwurzelt und wird von Menschen jeden Alters oder Geschlechts praktiziert. Musik, Gesänge und Tänze, die mit dem Marimba-Instrument in Verbindung stehen, stärken das Identitätsbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl der Praktizierenden.

Griechenland: Marmorbildhauerei auf Tinos. Die dekorative Bearbeitung von Marmor ist eine identitätsprägende Handwerkskunst auf Tinos. Aufgrund der reichen Marmorvorkommen auf der Insel hat sich das Wissen zur Gewinnung und Verarbeitung des Natursteins bereits im 14. Jahrhundert entwickelt und wurde von Generation zu Generation über Familien und Werkstätten weitergegeben. Bildhauer und Steinmetze besitzen hier vielfältiges Wissen über die Zusammensetzung und die Struktur von Gesteinen, die Marmor enthalten, sowie über die Eigenschaften der unterschiedlichen Marmor-Arten. Zu den traditionellen Motiven und Symbolen der Marmorbildhauerei zählen Zypressen, Blumen, Vögel und Schiffe, deren symbolische Bedeutung aus religiösen, magischen und mündlichen Überlieferungen herrührt. Die Verzierungen an Gebäuden und Gefäßen symbolisieren Fruchtbarkeit und Wohlstand oder dienen der Abschreckung von bösen Einflüssen.

Indonesien: Drei Tanzarten auf Bali. Auf der Insel Bali werden drei unterschiedliche Tanzarten gepflegt: heilige, semi-heilige und profane Tänze. Traditionelle Tänze werden auf Bali von Tänzerinnen und Tänzern in farbenfrohen, goldverzierten Kostümen aufgeführt. Die dynamischen Tanzbewegungen sind von der Natur inspiriert und spiegeln Traditionen, Bräuche und religiöse Werte wider. Emotionen wie Freude, Trauer, Wut, Angst und Liebe werden durch die Bewegungen und auch durch Mimik ausgedrückt. Tänzer müssen zusätzlich zu ihrer technischen Qualifikation auch Charisma, Demut und Disziplin besitzen, um die Tänze mit spiritueller Energie zu beleben. Musikalisch begleitet werden die Tänze durch Gamelan-Instrumentenensembles. In den balinesischen Gemeinschaften werden die Tänze bereits an Kinder vorwiegend auf informellem Wege weitergegeben.

Kambodscha, Philippinen, Republik Korea, Vietnam: Tauzieh-Rituale und -Spiele. Tauziehen wird rituell in den Reis-Landwirtschaftskulturen Ostasiens und Südostasiens veranstaltet. Es fördert soziale Solidarität, sorgt für Unterhaltung und markiert den Beginn eines neuen landwirtschaftlichen Zyklus. Der Charakter der Veranstaltungen ist explizit nicht wettbewerbsorientiert und soll die Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaften an die Bedeutung von Zusammenarbeit erinnern. Tauzieh-Rituale und -Spiele werden oft vor Gemeinschaftsgebäuden oder Schreinen eines Dorfes organisiert und mit Gedenkriten an lokale Schutzgottheiten verbunden. Dorfälteste spielen eine aktive Rolle bei der Organisation der Rituale und in der Einführung von jüngeren Menschen in das Spiel und die begleitenden Rituale.

Kasachstan, Kirgisistan: Improvisationskunst Aitysh/Aitys. Aitysh/Aitys ist ein zu vielen Gelegenheiten durchgeführter Wettbewerb für improvisierte gesprochene oder gesungene Dichtung, begleitet von der Musik einer Langhalslaute. Beim Wettbewerb treten zwei Künstler in einen Dialog über aktuelle, vom Publikum vorgeschlagene Themen. Mit humorvollen Entgegnungen und philosophischen Überlegungen zu sozialen und moralischen Diskursen, wie beispielsweise zur Emanzipation von Frauen, zu Stammesbeziehungen oder Gerechtigkeit, werden die Zuschauerinnen und Zuschauer zur Reflexion angeregt. Die Künstler werden an ihren musikalischen Fähigkeiten, ihrem Einfallsreichtum und ihrer Gewitztheit gemessen. Aitysh/Aitys ist eine Synthese der Kunstformen Geschichtenerzählen, Musik und Gesang.

Katar, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate: Arabische Kaffeekultur. Das Servieren von Kaffee hat im arabischen Kulturraum eine wichtige Bedeutung als Ausdruck von Gastfreundschaft und Großzügigkeit. Traditionell wird Kaffee direkt vor den Gästen zubereitet. Dazu werden ausgewählte Bohnen über dem Feuer geröstet und mit einem kupfernen Mörser zermahlen. Nachdem der Kaffeesatz mit Wasser aufgekocht wurde, wird der Kaffee, beginnend mit dem wichtigsten oder ältesten Gast, nach und nach im Uhrzeigersinn ausgeschenkt. Die Tassen werden solange nachgefüllt, bis der Gast durch das Hin- und Herschütteln der Tasse symbolisiert, dass er ausreichend Kaffee getrunken hat. Arabischer Kaffee hat einen bitteren Geschmack, der häufig mit Kardamom und anderen Gewürzen gemischt wird. Beim Servieren und Trinken von Kaffee gibt es eine Reihe von traditionellen Umgangsformen, die durch Beobachtung und Nachahmung innerhalb der Gemeinschaft weitergegeben werden.

Katar, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate: Kultur- und Sozialraum Majlis. Majlis sind Räume, in denen Mitglieder einer Gemeinschaft zusammenkommen, um Neuigkeiten, Informationen und Ideen auszutauschen. Typischerweise sind Majlis große, mit Teppich ausgelegte Räume mit Kissen an den Wänden. Sie verfügen über einen Ofen oder Feuerplatz, an dem Kaffee und andere heiße Getränke zubereitet werden. Alle wichtigen Ereignisse der Gemeinschaft finden in den Majlis statt: Hier werden Gäste empfangen, Probleme gelöst, Hochzeiten gefeiert und Trauerfeiern abgehalten. Als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens spielen Majlis zudem eine wichtige Rolle bei der Weitervermittlung von Werten, Anstandsregeln und mündlichen Traditionen an Jungen und Mädchen.

Namibia: Oshituthi shomagongo, Fest der Marula-Frucht. Oshituthi shomagongo ist ein zwei bis drei Tage dauerndes Fest, das nach der Ernte der Marula-Früchte im März oder April stattfindet. Mit dem Fest feiern acht Aawambo-Gemeinschaften im Norden Namibias den Anfang der neuen Vegetationsperiode. Wichtige Bestandteile des Fests sind das Singen traditioneller Lieder, das Rezitieren von Geschichten, Tanzen und das Trinken von Omagongo, einem aus Marula-Früchten gewonnenen Getränk. Zur Herstellung von Omagongo wird der Saft der Marulas für mehrere Tage in Tontöpfen fermentiert. Die Ernte der Marula-Früchte und die Herstellung von Omagongo sind Anlässe, zu denen die Gemeinschaft zusammenkommt und sich über Probleme und Neuigkeiten austauscht. Indigenes Wissen, Fähigkeiten und Praktiken zur Herstellung von Omagongo und zur Durchführung von Oshituthi shomagongo werden mündlich von Generation zu Generation weitergegeben.

Oman, Vereinigte Arabische Emirate: Die traditionelle Darstellungskunst Al-Razfa. Al-Razfa ist eine zu freudigen Anlässen aufgeführte Darstellungskunst, bei der gesungen und getanzt wird. Männer jeden Alters und aller sozialer Klassen formen zwei sich gegenüber stehende Reihen und singen begleitet durch Schlag- und andere Instrumente abwechselnd speziell für den jeweiligen Anlass ausgewählte Lieder. Die Liedtexte sind vorwiegend Verse aus beduinischer Nabati-Poesie. Im Takt der Musik führen die Männer choreografierte Bewegungen aus und schwingen eine hölzerne Gewehrnachbildung in der Luft. Al-Razfa wurde ursprünglich zur Feier von Siegen aufgeführt, heutzutage ist es hingegen als Form der Unterhaltung populär. Um das Interesse der jungen Generation zu wecken, wird Al-Razfa kontinuierlich weiterentwickelt, ohne die mündlich weitergegebene Tradition zu vernachlässigen.

Österreich: Klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule Wien. Die Klassische Reitkunst an der Spanischen Hofreitschule in Wien ist eine traditionelle Kunst und Praxis der Zucht, Haltung, Dressur und des Reitens von Lipizzaner-Hengsten. Gegründet wurde die Spanische Hofreitschule im 16. Jahrhundert ursprünglich zur Reitausbildung der kaiserlichen Familie, heute hingegen ist sie eine offen zugängliche Institution. Das Wissen wird in nationalen wie internationalen Reitvorführungen der Öffentlichkeit präsentiert. Die Basis der Reitschule bilden die Pferdewirte, Züchter, Tierärzte, Reiter, Sattler, Schmiede, Schneider, Hutmacher und Schuhmacher, die ihr Wissen, Können und ihre Erfahrungen seit über 400 Jahren als Mentoren weitergeben. Die jungen Eleven und Bereiteranwärter lernen in ihrer Ausbildung aber nicht nur von ihren älteren Kollegen, sondern auch von den Schulhengsten selbst.

Peru: Wititi-Tanz des Colca-Tals. Der Wititi-Tanz wird im Colca-Tal im Hochland von Peru während der Regenzeit im Rahmen von lokalen religiösen Feiern aufgeführt. Die Bewohner der ländlichen Andenregion feiern zu dieser Zeit die Fruchtbarkeit und Fülle der Erde sowie den Beginn des neuen Vegetationszyklus. Wititi ist ein dynamischer Gruppentanz, bei dem männliche und weibliche Tanzpaare Reihen bilden und in einer Parade durch das Dorf ziehen. Tänzerinnen tragen farbenfrohe Kleider und Hüte mit fein bestickten Naturmotiven. Die "Wititi" genannten Tänzer kleiden sich mit zwei überlappenden Frauenröcken, einem Militärhemd, einer Steinschleuder und einem Hut. Die Verkleidung als Frau soll der Legende nach daher rühren, dass sich Krieger in der Vergangenheit zur Verwirrung von Feinden als Frauen verkleidet haben. Der Tanz ist Ausdruck der Freude und der gemeinsamen kulturellen Identität der Gemeinschaften im Colca-Tal.

Rumänien: Burschentänze. Burschentänze sind ein Genre der rumänischen Volkstänze, die zu festlichen Anlässen wie Hochzeiten und Feiertagen aufgeführt werden. Die Tänze variieren je nach Region, allen gemein sind jedoch rhythmisch-harmonische Bewegungskombinationen. Die Tänzer formieren sich in einer Reihe, einem Halbkreis oder Kreis und schlagen hüpfend mit den Handflächen auf ihre Fußsohlen und Beine. In fast allen Städten und Dörfern Rumäniens gibt es Burschentanzgruppen. Sie setzen sich aus Jungen und Männern zwischen 5 und 70 Jahren zusammen. Alle Gemeindemitglieder sind entweder durch die aktive Teilnahme als Tänzer oder als Zuschauer Träger der Burschentänze.

Saudi-Arabien: Alardah Alnajdiyah – Tanz, Trommeln und Poesie. Alardah Alnajdiyah ist eine traditionelle Performance – eine Kombination aus Tanz, Trommeln und Gesangspoesie. Sie wird anlässlich von Beginn und Abschluss besonderer Gelegenheiten, wie religiöser Feiertage, Hochzeiten, Geburten, Abschlussfeiern oder Veranstaltungen von nationaler oder lokaler Bedeutung durchgeführt. Teilnehmer sind Männer, unabhängig vom sozialen Status, Alter oder Beruf. Frauen sind für die Herstellung der Kostüme verantwortlich.

Slowakei: Dudelsack-Kultur. Die Dudelsack-Kultur ist in der Slowakei eine alte, kontinuierlich weitergegebene Musiktradition von Bauern und Hirten. Gespielt wird der Dudelsack häufig zu gesellschaftlichen Anlässen, die Musik wird von Tänzen und Gesang begleitet. Die Dudelsack-Kultur umfasst nicht nur das Wissen und Können des Dudelsackspielens, sondern auch Instrumentenbau, Liedrepertoire, typische Musikstile und musikalische Verzierungen, Tänze, Volksbräuche und mündliche Redensarten. Mit der Dudelsack-Kultur sind also auch Wissen um kulturelle Traditionen, Handwerkstechniken und die natürliche Umwelt verbunden. Mit regionalen Unterschieden in Bezug auf technische Details, Instrumentenstimmung, Ornamente und Fachwissen ist die Kultur in der gesamten Slowakei verbreitet.

Turkmenistan: Epische Erzählkunst Gorogly. Bei der Gorogly-Darstellungskunst beschreibt ein Erzähler auf lebendige Art und Weise die Taten des legendären Helden Gorogly und seiner vierzig Reiter. Die epische Erzählkunst verbindet die Heldenlegende mit Gesang, Komposition, Prosa, Lyrik und Stimmimprovisationen. Die weiblichen und männlichen Darsteller müssen daher über künstlerische und kreative Fähigkeiten verfügen, die über das Geschichtenerzählen hinausgehen. Der Gorogly-Epos wird anlässlich von nationalen Feiern, Kulturfesten und gesellschaftlichen Veranstaltungen aufgeführt. Durch das Epos werden traditionelle Bräuche und Wissen, beispielsweise über Viehzucht und traditionelle Medizin, überliefert. Da die Gorogly-Erzählung Werte wie Mut, Ehrlichkeit, Freundschaft, Toleranz, Freiheit und Gerechtigkeit vermittelt, spielt sie eine wichtige Rolle bei der Erziehung von Kindern.

Venezuela: Anbau und textile Verarbeitung von Curagua-Hartmais. Im Osten von Venezuela in der Stadt Aguasay wird die Curagua-Pflanze zu Textilien verarbeitet. Die aus Curagua gewonnenen weißen Fasern zeichnen sich durch Stärke, Beständigkeit und Geschmeidigkeit aus. Verwendet werden sie unter anderem zum Weben und Knüpfen von regionaltypischen Hängematten. Das jahrhundertealte Wissen um die Kultivierung von Curagua und das Verfahren zum Trennen der Naturfasern wird von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Da die Gewinnung der Fasern Kraft erfordert, übernehmen üblicherweise Männer diese Arbeit. Frauen verarbeiten und weben die Fasern zu den Endprodukten. Die Textilherstellung aus Curagua stellt sowohl für Männer als auch Frauen eine Erwerbsquelle dar. Die Anpflanzung und die Verarbeitung von Curagua fördert Kooperation innerhalb und zwischen den Familien und Gemeinschaften.

Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes

Kolumbien: Traditionelle Vallenato-Musik der Region Magdalena Grande. Traditionelle Vallenato-Musik verbindet verschiedene kulturelle Ausdrucksformen aus dem Norden Kolumbiens. Dazu gehören die Gesänge von Kuh-Hirten der Region Magdalena Grande, die Lieder der afrikanischen Sklaven sowie die traditionellen Tanzrhythmen der indigenen Völker der Sierra Nevada de Santa Marta. Auch spanische Poesie und Musikinstrumente europäischer Herkunft sind Komponenten der traditionellen Musik. Sie wird bei Vallenato-Musik-Festivals und bei sogenannten "parrandas" gespielt, wo Freunde und Familie zusammenkommen und die somit eine entscheidende Rolle im Aufbau einer gemeinsamen regionalen Identität spielen. Die Kulturform ist insbesondere durch den Drogenhandel und die damit zusammenhängenden bewaffneten Konflikte in Kolumbien bedroht. Die Feier von parrandas im öffentlichen Raum ist zudem rückläufig.

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien: Zweistimmiger Männergesang Glasoechko. Der für die Region Dolni Polog charakteristische zweistimmige Männergesang Glasoechko ist eine traditionelle Form der Vokalmusik, die häufig von einem Dudelsack oder Hirtenflöten musikalisch begleitet wird. Bei den mehrstimmigen Liedern singen ein oder mehrere Gegensänger kontrapunktisch zur Hauptstimme. Glasoechko wird spontan in Gruppen von zwei bis drei Männern bei Feiern, Hochzeiten und anderen sozialen Zusammenkünften aufgeführt. Die Anzahl der Personen, die Glasoechko erlernen und praktizieren, ist stark rückläufig. Gründe dafür sind die anhaltende Abwanderung von Mazedoniern seit dem Bürgerkrieg im Jahr 2001 und der geringe Austausch zwischen der jüngeren und älteren Generation. Der Glasoechko-Gesang droht auch in Vergessenheit zu geraten, weil es kaum Gesangsaufnahmen gibt.

Mongolei: Kamel-Besänftigungritual. Mongolische Hirten haben ein Ritual, um ein weibliches Kamel zu überzeugen, ein neugeborenes Kalb anzunehmen oder ein Waisenkind zu adoptieren. Ein Sänger stimmt ein monotones Lied an. Je nach Verhalten des Mutterkamels, das zunächst aggressiv sein kann, ändert er die Melodie und überzeugt es so, das Kalb zu akzeptieren. Das Ritual, welches in der Dämmerung stattfindet, erfordert viel Geschick im Umgang mit Kamelen sowie Talent zum Singen und musikalische Fähigkeiten auf der Pferdekopfgeige oder Flöte. Es wird traditionell von den Eltern und Ältesten an die Jugend durch praktische Anleitung weitergegeben. Veränderungen des sozialen und kulturellen Umfelds haben sich jedoch negativ auf die Rentabilität der Praxis ausgewirkt. Heute werden häufig Motorräder statt Kamele als Transportmittel bevorzugt und die Jugend wandert zunehmend in die urbanen Zentren ab.

Portugal: Herstellung von Kuhglocken. Hirten verwenden Kuhglocken traditionell zur Lokalisierung ihrer Herdentiere. Gefertigt werden die eisernen Glocken traditionell in Handarbeit in einem mehrstufigen Prozess. Die dafür notwendige technische Kunstfertigkeit wird traditionell innerhalb der Familie vom Vater an den Sohn weitergegeben. Die Praxis ist in Portugal aufgrund sozioökonomischer Veränderungen jedoch zunehmend bedroht. Durch neue Weidemethoden gibt es immer weniger Hirten. Kuhglocken werden immer häufiger mit billigeren Industrietechniken hergestellt. Heute gibt es in Alcáçovas, wo die Kuhglocken seit langer Zeit traditionell hergestellt werden, nur noch elf Werkstätten und 13 Glockenhersteller, von denen neun über 70 Jahre alt sind.

Uganda: Koogere-Tradition. Koogere war vor über 1.500 Jahren eine Stammesführerin in Busongora, einem traditionellen Königreich im Süden Ugandas. Koogeres außergewöhnliche Weisheit und der Wohlstand des Stammesreiches zu ihrer Zeit werden in einer Reihe von Erzählungen als Teil des kollektiven Gedächtnisses der Basongora-, Banyabindi- und Batooro-Gemeinschaften mündlich überliefert. Praktiker und Hüter der Erzählungen waren traditionell Älteste, Geschichtenerzähler, Dichter, Musiker und indigene Familien, die in der Nähe von Schauplätzen der Geschichte leben. Die Anzahl der Erzählmeister ist inzwischen auf vier Personen zurückgegangen. Der soziale Wandel, der Bedeutungsverlust informeller Bildung und die rückläufige Verwendung der Runyakitara-Sprache, in der die Koogere-Geschichte erzählt wird, sind Ursachen für die Gefährdung der mündlichen Erzähltradition.

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