Auf ein Wort,

"Jede Orgel ist einzigartig, weil der Raum den Klang mitbestimmt."

Kulturtalent Oktober

Georg Wünning
Orgelbauer

Im Interview berichtet Georg Wünning von seiner vielfältigen Arbeit an den "Königinnen der Instrumente". Im Mittelpunkt steht dabei die Restaurierung der Peternell-Orgel in der Buttelstedter Nikolaikirche in Thüringen. Dabei wurde er im Rahmen des "denkmal aktiv"-Programms der Deutschen Stiftung Denkmalschutz von einer Schulklasse des Lyonel-Feininger-Gymnasiums begleitet. Orgelbauer Wünning und die Kunstlehrerin Katrin Kloth erklären, wie es zur Zusammenarbeit kam und welches Wissen und Können der Orgelbaumeister den jungen Lehrlingen vermittelt hat. 

Was genau umfasst das Wissen und Können, das im Orgelbau von Generation zu Generation weitergegeben wurde und wird?

Orgelbau ist ein sehr vielschichtiges Handwerk, in dem auch künstlerische Aspekte eine Rolle spielen. Wir stellen nahezu alle Teile einer Orgel aus den Rohmaterialien selbst her, inklusive des Spieltisches. Das grundsätzlich nötige Können ist eigentlich der Tischlerberuf. Man muss perfekt sein in der Bearbeitung von Hölzern und allem, was damit zusammenhängt. Dazu kommt die Bearbeitung von Metallen, vor allem Zinn und Blei – daraus sind die Pfeifen. Auch Messing wird verarbeitet. Daraus werden Verbindungsteile hergestellt, die in der Orgel Bewegungen übertragen. Dazu kommt noch der Umgang mit Leder, Filzen und eventuell auch textilem Material. Und schließlich ist Stilkunde wichtig, dass man also in etwa beurteilen kann, in welcher Zeit eine Orgel entstanden ist. Die künstlerischen Aspekte beziehen sich auf den Klang und die Entwicklung über die Jahrhunderte, wie eine Orgel also zum Beispiel zu Bachs Zeiten oder der Romantik geklungen hat, aber auch wie sie heutzutage klingen sollte. Dafür gibt es kein Lehrbuch. Jeder Orgelbauer macht das nach seinem Gefühl, bewegt sich aber natürlich im Trend der Zeit.

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf, Herr Wünning?

Ich suchte, wie wohl so ziemlich jeder, einfach erst einmal einen interessanten Beruf. Wichtig war mir, dass Technik eine Rolle spielt. Ich habe als Junge sehr viel mit der elektrischen Eisenbahn gespielt und Flugzeug- und Schiffsmodelle gebaut. Im Orgelbau hat sich für mich die Möglichkeit ergeben, das so ein bisschen weiterzuführen. Ich habe drei Jahre in einem Betrieb mit zehn Beschäftigten in Gotha gelernt und war dann bis zur Meisterprüfung dort tätig. In der DDR gab es lange keine Kommission und erst ab 1979 war diese wieder möglich. Mein Meisterlehrgang ging dann bis 1981. Kurz nach erfolgreichem Abschluss bin ich aus familiären Gründen ins Erzgebirge nach Großolbersdorf gekommen und habe dort 1983 meine Werkstatt gegründet.

Was hat Sie am Orgelbau gereizt?

Mich hat von Anfang an die Technik begeistert, die eine Orgel ausmacht. Der klangliche Aspekt kam erst später hinzu. Mit der Zeit bin ich mit dem Beruf so verwachsen, dass ich wusste: Das war der richtige Weg. Ich kann mir heute kaum etwas anderes vorstellen. Wenn man selbst eine Werkstatt leitet, ist man eigentlich immer Orgelbauer: rund um die Uhr, 24 Stunden. Das ist nicht immer im Sinne der Familie, aber es lässt einen einfach nicht los. Man hat ja auch eine gewisse Verantwortung für seine Mitarbeiter. Faszinierend ist für mich beim Orgelbau, dass man nirgends zwei gleiche Instrumente findet. Es ist immer wieder etwas Neues. Man lernt ständig etwas dazu. Wir bemühen uns stets, eine nachhaltige Arbeit abzuliefern, sodass wir über die Instrumente, die wir bearbeiten und restaurieren, sagen können, dass in den nächsten 50 oder 100 Jahren keine grundlegenden Arbeiten daran durchgeführt werden müssen.

Kulturtalente

Kulturtalente in ganz Deutschland prägen und gestalten das Immaterielle Kulturerbe. Sie erhalten kulturelle Traditionen durch Anwendung und Weitergabe ihres Wissens und Könnens. Die Deutsche UNESCO-Kommission stellte von Juli 2016 bis Juli 2017 12 Kulturtalente vor und zeigt, wie sie das Immaterielle Kulturerbe hierzulande kreativ weiterentwickeln. Georg Wünning ist das Kulturtalent des Monats Oktober 2016.

Zur Übersicht aller Kulturtalente

Wie hat sich Ihre Werkstatt im Laufe der Jahre entwickelt?

Ich war zunächst als Alleinmeister unterwegs, habe also Konstruktionen für andere Betriebe gemacht. Ich habe dann angefangen ein Werkstattgebäude zu errichten, und es kamen die ersten Aufträge für neue Orgeln. An die Werkstatt haben wir im Laufe der Zeit mehrfach angebaut. Wir waren um das Jahr 2000 herum zehn Mitarbeiter und bis dahin haben wir etwa 50 Orgeln neu gebaut bis zu einer Größe von etwa 40 Registern. Auch im Ausland waren wir tätig: In Österreich und in Prag haben wir eine Orgel stehen. Jetzt ist es so, dass wir uns – mehr oder weniger dem Trend der Zeit im Orgelbau geschuldet – deutlich mehr mit Restaurierungen beschäftigen. Die Neubauten spielen also nicht mehr die gleiche Rolle wie früher und wir sind jetzt zu fünft unterwegs. Für den Bau eines neuen Instruments braucht man mehr Stunden und entsprechend auch mehr Arbeitskräfte. Die Nachfrage ist aber zumindest in Deutschland spürbar gesunken. Zum Glück gab und gibt es aber einen nahtlosen Übergang zur Restaurierung. Außerdem gibt es ja noch die vielen Pflegeverträge und kleinere Reparaturen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Orgelmusikern und anderen Orgelbauern in Deutschland?

Ich bin – wie gut 100 weitere Betriebe – Mitglied im Bund Deutscher Orgelbaumeister (BDO). Wir treffen uns einmal im Jahr zu unserer regelmäßigen Sitzung.

Mit Orgelmusikern haben wir eigentlich immer zu tun, wenn wir an einem Instrument arbeiten. Wenn es einen angestellten Kantor gibt, bringt der natürlich seine Vorstellungen mit ein. Vor allem bei einer neuen Orgel ist das der Fall, schon im Vorfeld, also wenn die Planung läuft. Es gibt dann noch die Orgelsachverständigen, die vermitteln zwischen Auftraggeber und Firma, lenken also das Projekt in die entsprechenden Bahnen. Wenn es um eine Restaurierung geht, muss man die Musiker manchmal an die Hand nehmen und ihnen vermitteln, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Das Denkmal, also die Orgel, gibt zunächst einmal vor, in welche Richtung eine Restaurierung zu gehen hat. Das sind Grundsätze, die auch die Musiker manchmal erst verinnerlichen müssen. Viele sind aber eigentlich froh, dass das Instrument wieder in einen früheren Zustand versetzt wird. Das muss nicht immer der ursprünglichste sein, denn man einigt sich ja auf eine Referenzzeit. Das ist jedes Mal eine Verhandlung zwischen Orgelbauer und -musiker.

So war das schon immer im Laufe der Geschichte: Es gab immer ein Wechselspiel zwischen Orgelbauern und Musikern und Komponisten. Die Orgel ist größer geworden, sie hat sich den musikalischen Vorstellungen der Organisten angepasst. Und so hat sich eben die Orgelmusik und das Instrument entwickelt im Laufe der Jahrhunderte und bis heute ist das so. Dass auch moderne Technik einzieht, das führt nun wieder dazu, dass die Organisten fragen: 'Könnte man dies und jenes nicht machen, wäre das möglich auf technischem Gebiet?' Klanglich ist eigentlich die Palette ausgereizt. Technisch feilen wir aber zum Beispiel daran, dass die Register schneller ab- und zugeschaltet werden können. Da ist es schon noch möglich durch Einführung von Computertechnik die Orgel weiter zu verbessern.

Jede Orgel ist einzigartig, weil der Raum den Klang mitbestimmt.

Orgelbau und Orgelmusik als Immaterielles Kulturerbe

2.800 Orgelbauer, 180 Lehrlinge sowie 3.500 hauptamtliche und zehntausende ehrenamtliche Organisten prägen Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland. Das Handwerk und die Musik wurden 2014 in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbe aufgenommen und 2017 als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit von der UNESCO anerkannt.

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung des Orgelbaus als Immaterielles Kulturerbe, Ende 2017 möglicherweise sogar auf internationaler Ebene bei der UNESCO?

Das ist für mich auf jeden Fall etwas Besonderes. Ich meine, ich kann schon stolz sein, dass ich an diesem erfolgreichen Gesamtprojekt selbst einen gewissen Anteil habe. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Ich kann nur hoffen, dass es auch in der Öffentlichkeit vielleicht mehr Wertschätzung für den Beruf des Orgelbauers und alles, was damit zusammenhängt, gibt. Ich hoffe auch, dass das hilft, den Fortbestand der Kulturform zu erhalten.

Frau Kloth, wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Ihrer Schule und Herrn Wünning an der Orgel in Buttelstedt im Rahmen des "denkmal aktiv"-Programms?

Kathrin Kloth: Im Mai 2015 habe ich die Ausschreibung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für das Schulprogramm "denkmal aktiv" in die Hände bekommen. Als Kunst- und Klassenlehrerin bin ich immer auf der Suche nach interessanten Projekten. Ich hatte in der regionalen Presse zeitgleich einen Bericht über die Peternell-Orgel in Buttelstedt, ihre Bedeutung und den maroden Zustand gelesen. Das Thema fand ich für meine Klasse interessant und eben auch gut geeignet für das "denkmal aktiv"-Programm. Für die eigentliche Bewerbung war neben konkreten Angaben zu den Zielsetzungen, zum inhaltlichen und zeitlichen Ablauf des Projekts auch die Benennung fachlicher Partner notwendig. Das hieß: Ich musste Fachleute suchen und für das Schülerprojekt gewinnen. Das war gar nicht so einfach, denn für mich selbst war das Thema Orgelbau in der Bewerbungsphase noch absolutes Neuland. Bei meinen Recherchen bin ich dann auf Georg Wünning gestoßen, der den Auftrag zur Restaurierung der Orgel in Buttelstedt hatte.

Wünning: Ich kannte "denkmal aktiv" vorher gar nicht. Als mir Frau Kloth aber davon erzählte, habe ich mich sehr gefreut, dass es solche Aktivitäten gibt, und dann auch sofort zugesagt.

Jeder Orgelbauer baut nach seinem Gefühl, bewegt sich aber natürlich im Trend der Zeit.

Um was genau geht es bei "denkmal aktiv" eigentlich?

Kloth: "denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule", so der volle Titel, ist ein Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Es begleitet und unterstützt sowohl fachlich als auch finanziell Schülerprojekte, die sich mit den Themen Kulturerbe und Denkmalschutz auf unterschiedliche Art auseinandersetzen. Es geht dabei darum, den Schülern den Wert von Kulturdenkmalen nahezubringen, sich mit der eigenen Kultur und Geschichte auseinanderzusetzen und ein Verantwortungsgefühl für das kulturelle Erbe zu entwickeln. Diese Begleitung und Unterstützung besteht auch aus zwei Treffen zum Erfahrungsaustausch, wo im Prinzip alle "denkmal aktiv"-Teilnehmer eines Schuljahrs zusammenkommen. Auch Schüler sind dabei. Das Tolle ist, dass das Programm sowohl fächerübergreifend als auch schuljahresumfassend angelegt ist und auch den Aspekt Nachhaltigkeit in die Erziehung und Bildung in Sachen Kunst und Kultur einbringt. Das passte für meine sechste Klasse perfekt.

Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland

Besonders vielgestaltig zeigt sich der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland, die geprägt ist durch seit dem Barock historisch gewachsene, regional schattierte Orgellandschaften (nord-, mittel-, süddeutsch). Die Pflege der Orgelkultur ist eine transkulturelle Kulturform mit hoher Kunstfertigkeit, die in Deutschland eine wichtige Basis hat und in äußerst lebendiger Weise weitergegeben wird.

Ungefähr 50.000 Orgeln gibt es derzeit hierzulande. Was ist das Besondere an der Peternell-Orgel in der Buttelstedter Nikolaikirche, die sie zusammenführte?

Wünning: Die Orgel wurde 1857 von Carl Friedrich Peternell erbaut. Dabei hat er auf Teile der Vorgängerorgel zurückgegriffen, die 1710 von einer Firma Weiß aus der Nähe von Gotha erbaut worden ist. Diese Angaben findet man im Kirchenarchiv. Einzelheiten, welche Pfeifen und Register aus welcher Zeit stammen, stellen sich aber erst bei der tatsächlichen Demontage des Instruments heraus. Es ist ungewöhnlich, dass hier so viele Materialteile von der alten Orgel verwendet wurden. Wahrscheinlich waren ökonomische Gründe dafür ausschlaggebend. Das Interessante ist also, dass sehr viele Originalteile von 1710 auf uns zugekommen sind: etwa 70 Prozent der Pfeifen der gesamten Orgel, und auch die Windladen – also die Kästen, wo die Pfeifen draufstehen – und einige Mechanikteile. Diese Situation lässt gewisse Rückschlüsse auf das Vorgängerinstrument zu. Es wird für uns spannend herauszufinden, wie die Orgel bei Herrn Weiß ausgesehen und geklungen haben könnte.

Der Auftrag in Buttelstedt hat für meinen Betrieb schon eine längere Geschichte. Normalerweise läuft es bei Orgelrestaurierungen so: Orgelsachverständige machen eine Ausschreibung und laden dann die dafür infrage kommenden Orgelbaubetriebe ein, ein Angebot abzugeben. Aber schon fast seit der Wende bin ich mit der Gemeinde der Buttelstedter St. Nikolai-Kirche im Gespräch. Es dauert immer eine gewisse Zeit, bis man endlich die Weichen so gestellt hat, dass man anfangen kann. Man muss sich zunächst natürlich überlegen: Wie kommt man an Geld, welche Fördermittel und -möglichkeiten gibt es? In Buttelstedt hat sich ein Förderverein gegründet, der sich sehr für die Orgelrestaurierung engagiert hat.

Aufmerksamkeit brauchen Orgelbau und Orgelmusik also schon, deswegen unterstützen innovative Ansätze und bringen uns gern mit ein.

Was waren die konkreten Etappen Ihres gemeinsamen Projekts vor dem Hintergrund der laufenden Restaurierung der Buttelstedter Orgel?

Kloth: Das Projekt war in seiner Struktur auf das gesamte Schuljahr angelegt. Nicht alles war vorauszusehen und im Voraus zu planen. Solche Dinge entwickeln ja oft eine Eigendynamik, und das war auch ganz schön. Zunächst hatten meine Schüler im Herbst 2015 an zwei Projekttagen die Möglichkeit, die Kirche St. Nikolai mit ihrer Orgel kennenzulernen. Sie erforschten ganz ausgiebig den Kirchenraum, die Orgelempore und das Orgelgehäuse. Dabei begleitete uns Walter Volland, ein ortsansässiger Orgelbauer, und beantwortete uns viele Fragen zur Funktionsweise des Instruments. Auch ein kleines Orgelkonzert konnten wir erleben. Die Kinder haben viel Interessantes herausgefunden, haben diese Fakten und Erlebnisse in Form von kleinen Geschichten und Berichten in ihren Projektmappen gesammelt. Auch Zeichnungen wurden angefertigt. Für die Schülerzeitung und das Gemeindejournal wurde geschrieben.

Dann haben die Schüler die Petition "Helft der Peternell-Orgel in Buttelstedt!" kennengelernt und sich dieser angeschlossen. Neben Persönlichkeiten aus der Region sind sie in einem offenen Brief an die Bürger der Stadt, des Landkreises und an das Land Thüringen als Unterstützer der Buttelstedter Peternell-Orgel benannt worden. Das hat bei den Kindern dazu geführt, darüber nachzudenken, was sie selbst ganz persönlich beitragen könnten zur Sanierung der Orgel. So startete meine Klasse 6/1 eine Spendenaktion. Dafür organisierte sie einen Kuchenbasar, dessen Erlös von 160 Euro an den Förderverein ging. Diese Summe reichte immerhin aus, um eine Orgelpfeife – die Prospektpfeife mit der Bezeichnung 6/1 – restaurieren zu können. Die regionale Presse begleitete die Aktion und das machte die Kinder auch ganz stolz.

Im Frühjahr 2016 begann dann der erste Bauabschnitt der Orgel. Herr Wünning kam mit seinem Team in die Kirche und baute die Orgelpfeifen aus, um sie mit ins Erzgebirge in seine Werkstatt zu nehmen und zu restaurieren. Diesen Moment haben wir uns natürlich nicht entgehen lassen. So konnten wir ein fast leeres Orgelgehäuse betreten und begutachten. Bei diesem Orgelpfeifenausbau im März 2016 haben Herr Wünning und ich uns zum ersten Mal persönlich getroffen. Wir waren uns einig, dass ein Besuch in seiner Orgelbauwerkstatt für die Kinder ganz sicher ein besonderes Erlebnis sein würde.

Und so reisten wir schließlich Anfang Juni den Orgelpfeifen hinterher. In der Werkstatt von Herrn Wünning und seinem Team wurden wir sehr herzlich empfangen und konnten bei der Führung durch die verschiedenen Werkstatträume Einblicke in die Arbeit eines Orgelbauers bekommen. Die vielen Arbeitsschritte zu sehen, die nötig sind, um nicht nur eine einzelne Pfeife, sondern ein solch komplexes Instrument entstehen zu lassen und zum Klingen zu bringen, war für uns alle sehr erstaunlich.

Was konnten Sie davon den Schülerinnen und Schülern der 6/1 des Lyonel-Feininger-Gymnasiums im Rahmen des gemeinsamen Projekts vermitteln?

Wünning: Wir konnten den Schülern zeigen, wie eine Orgel von innen aussieht und wie sie funktioniert. Die Orgel spielte ja kaum noch in Buttelstedt, aber zumindest haben die Kinder erstmal mitgekriegt, dass es noch wesentlich mehr Pfeifen in der Orgel gibt als man von außen sieht. Wie kompliziert so ein Instrument von innen aufgebaut ist, konnten wir also den Kindern demonstrieren. Das richtige Aha-Erlebnis werden sie haben, wenn wir die Orgel wieder zusammensetzen. Wenn die Teile restauriert aus der Werkstatt kommen, dann ist auch nachvollziehbar, was sich da in dem Instrument bewegt, wenn ich die Tasten drücke. Auch wie eine Pfeife bearbeitet wird, damit sie den Ton wieder hervorbringt, der ihr von dem Meister Peternell ursprünglich einmal gegeben wurde beziehungsweise vielleicht auch schon 200 Jahre vorher, können wir dann noch demonstrieren. Den Klang können wir erst am Ort in der Kirche richtig nachvollziehen, weil eine Orgel immer in einzigartiger Weise mit dem Raum zusammenspielt. Wann das genau sein wird, hängt noch von den Finanzen ab. Wir haben uns in diesem Jahr auf den Ausbau konzentriert. Im nächsten Jahr steht die zweite Etappe an: Dann ist die Orgel schon so weit, dass sämtliche Teile wieder zusammengebaut sind. Und in der dritten Phase 2018 können wir das Instrument dann fertig übergeben. So ist es geplant. Es kann sein, dass es noch Verschiebungen gibt, je nachdem, wie das Geld zusammenkommt.

Was für Ergebnisse hatte Ihr gemeinsames "denkmal aktiv"-Projekt?

Kloth: Fächerübergreifend wurden von den Kindern Berichte, Fabeln, Power-Point-Präsentationen, Zeichnungen oder Fotos erarbeitet. Ein Ergebnis ist auch ein Radio-Interview mit den Schülern bei Antenne Thüringen in Weimar zum Thema Denkmalschutz und Orgelbau. Das war auch ein Höhepunkt. Dazu kamen verschiedene Presseartikel, die dokumentieren, wie sich die Klasse mit dem Thema Orgelbau auseinandergesetzt hat. Ein ganz besonderes Ergebnis für die Schüler war der selbstorganisierte Spendenbasar, so dass sie Geld für die Restaurierung der Orgel beitragen konnten.

Was nehmen die Schülerinnen und Schüler aus dem Projekt mit?

Kloth: Ganz entscheidend ist, was während der Arbeit am "denkmal aktiv"-Projekt in den Köpfen der Kinder passiert ist. Da hat sich wirklich viel getan. Sie waren mit großer Begeisterung dabei, haben viel Neues erfahren und gelernt. Sie haben Gefallen daran gefunden, die Dinge zu hinterfragen, sich mit einer gesellschaftlich bedeutsamen Thematik intensiver auseinanderzusetzen und einfach über den Tellerrand der Schule hinaus zu schauen. Das Projekt hat ihren Horizont erweitert. Letztlich konnten sie auch erfahren, dass sie selbst durch Engagement für unser Kulturerbe etwas erreichen können. Sie haben also Verantwortung für ein Denkmal entwickelt und einen kleinen Beitrag zu seinem Erhalt geleistet. Dass sie auch von den fachlichen Partnern und der Öffentlichkeit so viel Wertschätzung für ihr Engagement erfahren haben, war natürlich auch ganz toll. Das motiviert sie für weitere Vorhaben.

Und was haben Sie selbst über Orgelbau und Orgelmusik gelernt?

Kloth: Viel. Es war ja tatsächlich auch für mich inhaltlich Neuland und eine Herausforderung. Ich habe vor allem gelernt, welche Komplexität in diesem Instrument und diesem Handwerk steckt. Schon als Kind habe ich Orgelmusik als etwas sehr Faszinierendes empfunden. Orgelkonzerte haben eine starke Wirkung und sind ein besonderes Klangerlebnis, insbesondere natürlich im Kirchenraum, der tut sein Übriges, dem kann man sich gar nicht entziehen. Welche ausgeklügelte Technik sich hinter den Klangerlebnissen verbirgt, hat sich mir aber erst durch das Projekt erschlossen.

Verfolgt Ihre Klasse den Einbau der Orgel in der Nicolaikirche Buttelstedt jetzt eigentlich weiter, Frau Kloth?

Kloth: Das "denkmal aktiv"-Projekt ist nach einem Schuljahr zu Ende, aber wir bleiben auf jeden Fall dran. Wir halten den Kontakt zu den Orgelbauern und hoffen darauf, den Einbau der restaurierten Orgel und das Einweihungskonzert bald miterleben zu können. Aber auch bei "denkmal aktiv" sind wir wieder dabei. Die Schüler waren einhellig der Meinung: 'Klar, da machen wir wieder mit.' Und das motiviert mich bei unserer Arbeit an einem spannenden neuen Thema: 'Der sakrale Raum – Im Zauber des Lichts'. Es geht also um die Gestaltung von Kirchenfenstern, insbesondere um die Glasmalerei, die durch ihre Farbigkeit dem Raum eine magische Wirkung verleiht. Das wollen wir ergründen – theoretisch und auch praktisch. Ein Höhepunkt wird sein, dass wir die Glaswerkstatt in der Naumburger Dombauhütte besuchen und dort selbst auch kreativ tätig werden.

Herr Wünning, Frau Kloth und ihre Klasse haben Sie für den Orgelbau und die Orgelmusik begeistert. Wie steht es grundsätzlich um die Zukunftsperspektive Ihres Handwerks?

Wünning: Es ist nicht leichter geworden, Leute ins Orgelkonzert zu locken. In Großstädten ist das vielleicht noch nicht ganz so schlimm, aber in den kleineren Städten und auf dem Land ist es nicht so einfach, ein voll besetztes Haus zu bekommen. Aufmerksamkeit brauchen Orgelbau und Orgelmusik also schon. Wir unterstützen innovative Ansätze und bringen uns gern mit ein. Es muss ja auch nicht immer nur reine Orgelmusik sein. Man kann die Orgel auch gut mit einem anderen Instrument kombinieren. Dafür arbeiten wir sehr gern mit engagierten Kirchenmusikern und Gemeinden zusammen.

Grundsätzlich müssen wir vor allem Jüngere für unsere Arbeit und die Musik interessieren. Es gibt heute so viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, da muss man kontinuierlich daran arbeiten, die Leute für etwas zu begeistern. Natürlich müssen wir auch Lehrlinge finden, damit der Beruf weiter bestehen kann. Das ist jetzt schon eine ernste Sache! Ich selbst habe sämtliche heute bei mir Beschäftigten selbst ausgebildet. Im Laufe der Zeit waren das mehr als zehn Auszubildende. Nur so funktioniert es. Man kann eben nur in einem Betrieb die Kunst des Orgelbaus erlernen. Es gibt zwar auch Seiteneinsteiger, die schon einen Berufsabschluss haben und die dann zum Orgelbau kommen. Aber ohne eine fundierte Ausbildung geht es nicht.

Publikation

Wissen. Können. Weitergeben..
Deutsche UNESCO-Kommission, 2019

Orgelbau und Orgelmusik
Orgelbau und Orgelmusik

Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe

Orgelbau und Orgelmusik

Im Orgelbau verbinden sich von jeher Wissen im Umgang mit der Natur und traditionelles Handwerk mit innovativer Technik. Zwischen den Entwicklungen im Orgelbau und in der Orgelmusik ist immer eine kreative Wechselwirkung zu konstatieren, wobei nur selten zu klären ist, ob ein Orgelbauer durch seine Instrumente Komponisten oder ein Komponist mit seinen Werken Orgelbauer beeinflusst hat.
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Kulturtalente prägen, gestalten und erhalten
Postkarte Kulturtalente

Immaterielles Kulturerbe

Kulturtalente prägen, gestalten und erhalten

Kulturtalente in ganz Deutschland prägen, gestalten und erhalten Immaterielles Kulturerbe durch Anwendung und Weitergabe ihres Wissens und Könnens. Die Deutsche UNESCO-Kommission stellt zwölf Kulturtalente vor, die persönliche Einblicke geben, wie sie Immaterielles Kulturerbe tagtäglich leben, kreativ weiterentwickeln und an nachfolgende Generationen weitergeben.
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