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Geschlechtergerechtigkeit ist Bestandteil von Kulturerbe

Immaterielles Kulturerbe lebt von lokalen kulturellen Praktiken wie traditionellen Bräuchen und Gepflogenheiten. Die Gleichstellung der Geschlechter wird zunehmend diskutiert. Vereine und Trägergruppen können selbst einen wichtigen Beitrag leisten und Bewusstsein schaffen.

Die soziale Zusammengehörigkeit zu stärken, ist eine Kernaufgabe des Immateriellen Kulturerbes. Mit gegenseitiger Achtung und Anerkennung bieten lebendige kulturelle Ausdrucksformen Orientierungsmöglichkeiten, stiften Identität und stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Immaterielles Kulturerbe lebt von ortsüblichen Praktiken wie der Weitergabe traditioneller Bräuche und Gepflogenheiten.

Traditionspflege rechtfertigt grundsätzlich keinen Ausschluss aufgrund der Geschlechtszugehörigkeiten. Fragen zu Gender und Gleichberechtigung können aber nicht nur nach der Top-down-Methode gelöst werden. Vereine und Trägergruppen können selbst einen wichtigen Beitrag leisten und Bewusstsein schaffen, indem sie beispielsweise den Dialog suchen, Bildungsangebote fördern und Gender-Trainings oder Workshops anbieten. Raum für Auseinandersetzung, Transparenz im Umgang mit allen Beteiligten und ein offener Dialog können Veränderungen hervorrufen und ein Umdenken anstoßen.

Geschlechtergerechtigkeit ist Priorität der UNESCO

Geschlechtergerechtigkeit zählt zu den zwei Prioritäten der UNESCO für den Zeitraum 2014-2021. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts steht außerdem im Widerspruch zu den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, insbesondere in Bezug auf das Ziel Nummer 5 (Gleichheit der Geschlechter).

Obwohl in Diskussionen und praktischen Beispielen meist der Ausschluss von Frauen im Vordergrund steht, wird die Gender-Debatte heute multidimensionaler verstanden. Es geht um noch mehr als um die Dichotomie zwischen Mann und Frau. Alle Menschen müssen Chancengleichheit erhalten. Nur so können geschlechtsspezifische Ungleichheiten überwunden und eine lebenswerte nachhaltige Zukunft für alle sichergestellt werden.

Deshalb ist die Gleichstellung der Geschlechter auch ein Kriterium der Ethischen Grundsätze der UNESCO zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes (unter 11.). Diese Grundsätze stellen eine Reihe übergeordneter Prinzipien dar, die als bewährte Praktiken für Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen angesehen werden. Ergänzend zum UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes aus dem Jahr 2003, den dazugehörigen Richtlinien und dem nationalen Gesetzgebungsrahmen, dienen sie als Grundlage für die Entwicklung spezifischer ethischer Regeln und Instrumente.

Ziel ist hier ebenso die Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes sowie die Aufrechterhaltung seines Beitrags für Frieden und nachhaltige Entwicklung. Im 2018 entwickelten Gesamtergebnisrahmen (Overall Results Framework) der 2003er-Konvention wird die Gender-Dimension ebenfalls explizit aufgegriffen.

Bundesweites Verzeichnis

Im Verzeichnis Deutschlands sind 106 lebendige Kulturformen sowie Modellprogramme zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes eingetragen.

Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe

Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes

Wichtiges Gerichtsurteil zum Memminger Fischertag

Ein Fall eines traditionellen Festes aus Bayern, das nicht Teil des Bundesweiten Verzeichnis für Immaterielles Kulturerbe ist, hat dieses Jahr für Aufsehen gesorgt. Beim Memminger Fischertag wird einmal im Jahr der Stadtbach ausgefischt. Bislang waren an dem traditionellen Fischen nur Männer beteiligt. Im August 2020 entschied das Amtsgericht Memmingen, dass die Vereinsgruppe der Stadtbachfischer auch Frauen an der Tradition beteiligen muss. Traditionen rechtfertigen grundsätzlich keinen geschlechtsspezifischen Ausschluss.

Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes (2003)

Die UNESCO-Generalkonferenz hat das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes im Jahr 2003 verabschiedet. Im Frühjahr 2006 trat es nach Ratifizierung durch 30 Staaten in Kraft. Deutschland, als einer von mittlerweile 180 Vertragsstaaten, ist dem Übereinkommen 2013 beigetreten.