Auf ein Wort,

Die deutschen Biosphärenreservate sind sehr gut aufgestellt

Dr. Christiane Paulus

Dr. Christiane Paulus
ehemalige Vorsitzende des MAB-Nationalkomitees beim Bundesumweltministerium

Im Juni hat der Internationale Rat des UNESCO-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB) einen vorläufigen Schlussstrich unter einen vierjährigen Qualitätssicherungsprozess mit dem Titel „Exit Strategy“ gesetzt. Was sind die Hauptergebnisse und wie geht der Prozess weiter?

Der Internationale Rat hat einen Meilenstein zur besseren Qualitätssicherung und -entwicklung des MAB-Programmes gesetzt. Er hat entschieden, dass alle Biosphärenreservate, die bis 2020 die internationalen Kriterien für ein UNESCO-Biosphärenreservat nicht erfüllen, aus dem Weltnetz der Biosphärenreservate ausscheiden werden. Damit bekommen die Staaten, die ihre Hausaufgaben bisher nicht gemacht oder zur Transformation ihrer Biosphärenreservate größere Aufgaben zu bewältigen haben, noch einen kleinen Aufschub. Der ICC (Zwischenstaatlicher Koordinierungsrat) machte aber auch deutlich, dass es für die Gebiete, die die Kriterien nicht erfüllen, keine Zukunft im Weltnetz gibt. Genauso wichtig wie die getroffene Entscheidung zum Abschluss der „Exit-Strategy“ war aber auch der ihr vorausgegangene Prozess der letzten vier Jahre: Seit 2013 wurden etwa 150 der 669 Biosphärenreservate mit zuvor eingeschränkter Qualität so begleitet und unterstützt, dass sie die Kriterien nun voll erfüllen. Viele von ihnen haben dabei erhebliche strukturelle Änderungen vorgenommen, zum Beispiel bezüglich der Zonierung. Zugleich haben die USA und Bulgarien 20 Biosphärenreservate aus dem Weltnetz zurückgezogen, weil diese die gestiegenen Anforderungen und Aufgaben an UNESCO-Biosphärenreservate nicht erfüllen können. Es fehlt aber noch ein wichtiger Schritt: Der Internationale Rat muss 2018 weiter darüber beraten, die Lösung der „Exit-Strategie“ in einen langfristigen Qualitätssicherungsprozess zu überführen und die Entscheidungen auch auf alle künftigen Fälle anwenden, in denen Biosphärenreservate vor Problem stehen. Deutschland und das deutsche MAB-Nationalkomitee werden sich in diese Diskussion aktiv einbringen.

Hat die „Exit Strategy“ auch Auswirkungen auf die deutschen Biosphärenreservate?

Nein, alle in den vergangenen Jahren evaluierten deutschen Biosphärenreservate haben die Prüfung der internationalen Kriterien erfolgreich bestanden. Darauf können die deutschen Biosphärenreservate stolz sein. Das deutsche MAB-Nationalkomitee begleitet dabei die Biosphärenreservate aktiv im Evaluierungsprozess und prüft auch die Erfüllung der nationalen Kriterien.

Mit der Agenda 2030 und dem „Lima-Aktionsplan“ gibt es neue Orientierungsrahmen für die Biosphärenreservate. Sind die deutschen Biosphärenreservate gut aufgestellt, sich nun noch sichtbarer als Modellregionen für nachhaltige Entwicklung zu positionieren?

Die deutschen Biosphärenreservate sind sehr gut aufgestellt und sind daher auch in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 erwähnt. Noch stärker sollten sie Interessen- und Zielkonflikte moderieren und von den Ländern als Orte für ressortübergreifendes Handeln verstanden werden. Die Verwaltungsstellen sollten noch aktiver mit weiteren Akteuren in den Regionen kooperieren, zum Beispiel beim nachhaltigen Tourismus. Allerdings: Hier konnten sich die Biosphärenreservate Bliesgau und Schwäbische Alb als Finalist und Sieger im Bundeswettbewerb Nachhaltige Tourismusdestination bereits erfolgreich positionieren.

Das weltweite Netzwerk der Biosphärenreservate bietet viele Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Kooperation. Was sind aus Ihrer Sicht besonders gelungene Beispiele? Gibt es neue Impulse?

Ein Beispiel für eine langfristige und besonders gelungene Kooperation ist die Zusammenarbeit zwischen dem Biosphärenreservat Rhön und dem südafrikanischen Biosphärenreservat Krüger to Canyons. Hier findet seit 2008 ein regelmäßiger Austausch auf verschiedenen Ebenen statt, zum Beispiel zwischen Schulen und Kommunen oder durch die Entsendung von Freiwilligen. Die internationale Tagung „Erneuerbare Energien und Biosphärenreservate“ im September 2017 im Biosphärenreservat Bliesgau hat Akteure aus deutschen und internationalen Biosphärenreservaten zusammengebracht. Wir hoffen, dass sich hier auch neue Kontakte ergeben. Aktuell bauen mehrere deutsche Biosphärenreservate neue Partnerschaften auf, zum Beispiel in Bulgarien, Georgien oder Ghana.

Sie sind seit drei Jahren Vorsitzende des Nationalkomitees, nun wird es neu berufen. Was ist Ihr Resümee?

Das Nationalkomitee war in der vergangenen Berufungsperiode äußerst engagiert: Es hat mehrere Biosphärenreservate erfolgreich durch die periodische Berichterstattung begleitet und die Nominierung des jüngsten Biosphärenreservats Schwarzwald eng unterstützt. Außerdem hat es wichtige inhaltliche Schwerpunkte gesetzt: Es hat Positionspapiere zur Zonierung von Biosphärenreservaten und zu internationalen Partnerschaften verabschiedet und gemeinsam mit der Ständigen Arbeitsgruppe der
Biosphärenreservate ein Papier zur Umsetzung der Agenda 2030 und des Lima-Aktionsplans in Deutschland erarbeitet.

Was wünschen Sie sich für die Entwicklung der Biosphärenreservate im Jahr 2018 und darüber hinaus?

Ich wünsche mir für die Biosphärenreservate, dass sie die sich aus dem Lima-Aktionsplan ergebenden Chancen und Aufgaben mit Energie angehen und mutig Neues wagen: Neue Partnerschaften mit Akteuren in der Region eingehen, sich offensiv für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen, und die Möglichkeiten für Partizipation mit den Bürgerinnen und Bürgern ausschöpfen.

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UNESCO-Biosphärenreservate

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