Jakob Muth-Preisträger

Kinderschule Bremen

Die Kinderschule Bremen ist eine Ganztagsschule mit durchgängiger Jahrgangsmischung und Inklusion in allen Klassen. Sie ist seit 1993 staatliche Modellschule im Grundschulbereich. Aus der Frage wie ein Kind sein muss, damit es ihre Schule besuchen kann, hat die Kinderschule den Leitgedanken entwickelt, wie sie selbst gestaltet sein muss, damit sich „alle willkommen fühlen“. Diese „Willkommenskultur“ findet sich im gesamten Schulalltag wieder. 100 Kinder mit und ohne Förderbedarf lernen gemeinsam in fünf Lerngruppen.

An der Kinderschule gibt es insgesamt fünf Lerngruppen, die alle nach Farben benannt sind: Orange, Rot, Gelb, Blau und Grün. Die Fünfjährigen besuchen die orangefarbene Gruppe. Sie ermöglicht den Kindern ein langsames Hineinwachsen in die offenen Strukturen der Kinderschule und gibt ihnen viel Zeit für ein entwicklungsgerechtes frühes Lernen. Die jahrgangsübergreifende gelbe und rote Gruppe (Klassenstufe 1 und 2) bietet den Kindern viel Freiraum für ihre eigene Lernentwicklung. In vielen Phasen der Freiarbeit entscheiden die Kinder selbst, an welchen Aufgabenstellungen in den Bereichen Mathe und Deutsch sie arbeiten und bestimmen auch deren Reihenfolge. Neben den Phasen der Freiarbeit haben alle Kinder auch Pflichtarbeitsphasen. Die Kinder der grünen und blauen Lerngruppe (Klassenstufe 3 und 4) arbeiten in dieser Zeit in ihren Lerngruppen jeweils im wöchentlichen Wechsel in Mathe und in Deutsch.

In allen Lerngruppen gilt der Anspruch, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, alles zu lernen. Dafür begleiten pädagogische Mitarbeiter die Kinder im Unterricht. An der Kinderschule gilt der Grundsatz, die Kinder „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“ zu unterstützen. Die Selbstständigkeit wird so gefördert und die Kinder entwickeln ein gesundes Selbstbild.

Im Mittelpunkt der Arbeit an der Kinderschule steht die Lust am eigenen Lernen, Entdecken und Gestalten. Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter der Kinderschule organisieren die Inhalte aller Fächer - außer Mathe und Deutsch -  in Form von Angeboten. Angebote finden täglich von 11 Uhr  bis 12.10 oder  12.40 statt. Hier  gibt  es  z.B.   den „Leseclub“,  die  „Zeitforscher“, „die  Stadterkundung“, „Fußball“, „Theater“, „Film“, „Garten“, „Ackern und Rackern“ (Gartenbau auf der schuleigenen Parzelle), „Graffiti“ und vieles mehr. An jedem Wochentag gibt es andere Angebote. Jedes Kind wählt für jeden Wochentag das Angebot aus, was es am meisten interessiert. Einmal in der Woche sollte das ein Bewegungsangebot sein. Am Donnerstag bieten die jüngeren Kinder eigene Angebote an, die von den Erwachsenen begleitet werden, während in den großen Gruppen Englisch unterrichtet wird und das Schulschwimmen stattfindet. In den meisten Angeboten mischen sich alle Altersgruppen; einige werden bewusst differenziert – mal nach Alter, mal nach Geschlecht, mal nach Bedürfnissen. Die Angebote reichen jeweils vom Ferienende bis zum nächsten Ferienbeginn. In den zwei Wochen nach den Ferien können die Kinder in verschiedene Angebote hineinschnuppern. Danach entscheiden sie sich für ein Angebot entscheiden und haben so bis zu den nächsten Ferien einen festen Stundenplan, der so für jedes Kind etwas anders aussieht. Die Vielfalt und der häufige Wechsel bieten Kindern viele Möglichkeiten, die eigenen Interessen und Grenzen auszutesten.

Als gebundene Ganztagsschule gewährleistet die Kinderschule ein Betreuungsangebot von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Lehrer und pädagogische Mitarbeiter begleiten und unterstützen die Kinder während des gesamten Schultags gemeinsam. Sie sind in der Kernzeit von 8.30 – 15.00 Uhr in der Schule, so dass eine Aufteilung zwischen Unterrichts- und Betreuungszeit wegfällt. Sichergestellt wird dieses hervorragende Konzept dadurch, dass die Kinderschule ihre pädagogischen Mitarbeiter über einen eigenen Verein anstellt.

Kooperation und Teamfähigkeit bilden die Grundpfeiler des Konzepts der Kinderschule. Ein Team aus Lehrkräften, Sonderpädagogen, Therapeuten, Lehramtsstudenten und Integrationsfachkräften unterrichtet alle Lerngruppen mit einer Doppelbesetzung. Das Prinzip ist hierbei: Alle Mitarbeiter kümmern sich um alle Schüler. Der lockere, vertrauensvolle und gleichzeitig respektvolle Umgang aller Schüler und Beteiligten miteinander kennzeichnet auch die dreimal wöchentlich stattfindende Besprechung. Hier kommt die gesamte Schule zusammen. Die Besprechung wird von Kindern geleitet. Jeder, der etwas beitragen möchte – ganz gleich ob Erwachsener oder Kind – muss sich melden. Die Besprechung bietet allen Raum, um Wünsche, Anregungen oder auch Beschwerden zu äußern und über wichtige Fragen zu diskutieren.

Diese Konzeption überträgt die Kinderschule auch auf die Elternarbeit. Die Eltern gestalten das Schulleben aktiv mit, indem sie in verschiedenen Bereichen einem Teil der Verantwortung übernehmen. So bestehen Arbeitsgruppen zu verschiedenen Schulentwicklungsbereichen (z.B. AG Inklusion, AG Gender), um einerseits das Konzept weiterzuentwickeln und andererseits die Organisation der Kinderschule zu unterstützen (z.B. Vorstand, Homepage, Zeitung). Außerdem haben alle Eltern zweimal pro Schuljahr Kochdienst für die ganze Schule (inklusive Abwasch!). Die Schulgemeinschaft isst jeden Tag zusammen Jede der zwei Essenschichten beginnt mit einer Schweigeminute, die von Kindern geleitet wird – häufig von denjenigen, deren Eltern an diesem Tag den Kochdienst übernommen haben.

Auf besondere Weise kommt die ganze Schule einmal im Jahr in dem Stadtspiel „Heimbüttel“ zusammen. Alle lernen hier für eine ganze Woche ein von den Schülern ausgewähltes Land genau kennen. Für diese Zeit verwandelt sich die Schule in einen Markt, auf dem Handel getrieben und Dienstleistungen des entsprechenden Landes angeboten werden. Besonders gerne stellen die Kinder hier ihre eigenen Herkunftsländer oder die ihrer Eltern vor. Im Sinne der Willkommenskultur der Kinderschule ist „Heimbüttel“ ein weiteres Beispiel dafür, wie andere Kulturen und Religionen als Schatz begriffen werden, die alle an der Schule bereichern.

weitere Artikel

Unser Beitrag
Schüler basteln

Inklusive Bildung

Unser Beitrag

Seit 2022 arbeiten die Deutsche UNESCO-Kommission und die Robert Bosch Stiftung im Rahmen einer strategischen Partnerschaft im Bereich der inklusiven Bildung zusammen. Ausgehend von dem weiten Inklusionsbegriff der UNESCO geben sie gemeinsam der inklusiven Bildung als zentraler Zukunftsaufgabe für das gesamte Bildungssystem in Deutschland neue Impulse.
weiterlesen
Inklusive Bildung in Deutschland
Bunte Stifte

Bildung

Inklusive Bildung in Deutschland

Deutschland ist von dem Ziel einer inklusiven Bildung noch weit entfernt. Die seit 2009 auch für Deutschland rechtlich bindende UN-Behindertenrechtskonvention fordert dazu auf, auch Menschen mit Behinderungen den Besuch einer Regelschule zu ermöglichen. Dennoch hat sich seitdem der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf, die an einer Förderschule unterrichtet werden, kaum verringert.
weiterlesen

weitere Informationen