Auf ein Wort,

„Meine Vorstellung ist, dass BNE zu etwas Selbstverständlichem wird“

Prof. Inka Bormann

Prof. Inka Bormann
Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Freien Universität Berlin

Prof. Inka Bormann, Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin, sprach mit der Deutschen UNESCO-Kommission über Vertrauen im Bildungssystem, erfolgreiche Netzwerkarbeit und ihre Vorstellungen für Deutschland im Hinblick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

Was sind Ihre Schwerpunkte im Hinblick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Mich interessiert vor allem, wie sich Bildung für nachhaltige Entwicklung im Bildungssystem verbreitet. Das betrachte ich aus zwei Perspektiven: einer innovationstheoretischen und einer, die sich Educational Governance Forschung nennt. Dahinter verbirgt sich die Frage, wie verschiedene Ebenen in einem Mehrebenensystem, wie es das Bildungssystem ist, miteinander harmonieren. Wie arbeitet also die Makroebene der bildungspolitischen Steuerung mit der Mesoebene, in der die einzelnen Organisationen mit ihren Interessen angesiedelt sind und schließlich der Mikroebene der einzelnen Akteure zusammen? Wie verbreiten sich Ideen in so einem komplexen System wie dem Bildungssystem? Denn letztendlich geht es um die Frage, wie die Interessen von Individuen und Institutionen ausgehandelt werden, damit man zur Realisierung gemeinsamer Ziele kommen kann. Und in diesem Zusammenhang befasse ich mich auch mit Vertrauensfragen.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit im deutschen Bildungssystem?

Da müsste ich eigentlich zunächst zurückfragen, auf welcher Ebene wir uns bei dieser Frage bewegen? Ich denke bildungspolitisch ist das Thema Nachhaltigkeit wirklich sehr hoch aufgehängt – nicht zuletzt durch den Nationalen Aktionsplan, der ja vom Bundeskabinett begrüßt wurde und den es jetzt umzusetzen gilt. Wir wissen, dass sich viele Hochschulen auf den Weg gemacht haben. Sehr viele Schulen sind auch aufgrund der UN-Dekade und des Folgeprogramms dabei Bildung für nachhaltige Entwicklung zu verankern. Ebenso gibt es aber viele Schulen, die sich andere Schwerpunkte setzen, die man vielleicht auch gar nicht zusätzlich mit dem Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung beladen sollte, sondern vielleicht eher darauf hinweisen sollte, welche Anknüpfungspunkte, welche Synergien es zu dem, was sie sowieso machen, gibt. Ich bin überzeugt, dass bereits sehr viele Schulen oder einzelne Organisationen an Bord sind, die sich dieser Bildungsidee zuordnen lassen, ohne dass sie selbst das so bezeichnen würden.

Das heißt also vieles, was heute an Schulen stattfindet, trägt vielleicht nicht den Titel BNE, könnte dem aber auch zugerechnet werden?

Ja, das würde ich schon sagen. Gleichwohl darf es auch nicht beliebig werden. Aus meiner Sicht und im Einklang mit weiten Teilen der Debatte über BNE ist es enorm wichtig, dass die ökologische Dimension, also die Auseinandersetzung mit den planetaren Grenzen unseres Daseins eine wesentliche Grundlage für BNE ist.

Wie sieht es an den Hochschulen aus?

Hochschulen sind ähnlich wie Schulen sehr hybride Organisationen. Es gibt die akademische Freiheit der Lehre und Forschung – man kann nicht vorschreiben, dass BNE oder andere Themen im Zentrum der eigenen Arbeit in Forschung und Lehre stehen sollen. Zu untersuchen, wie die Verankerung von Nachhaltigkeit an Hochschulen vorangehen kann, wird zum Beispiel im Rahmen eines Verbundprojektes untersucht, das von Hamburg aus koordiniert und vom BMBF finanziert wird. Daran sind elf Hochschulen beteiligt, die unterschiedlich groß sind, an unterschiedlichen Standorten stehen und sich unterschiedlich lange mit dem Thema beschäftigen. Das Ziel ist, dass diese einzelnen Hochschulen ihre Erfahrungen in Lehre und Forschung beleuchten, um auf dieser Basis Leitfäden zu verfassen, um die Hochschulen, die noch nicht auf dem Nachhaltigkeitsweg sind, zu inspirieren, auch diesen Weg zu beschreiten. Zahlenmäßig bedeutet das, dass bis 2019 insgesamt 100 weitere Hochschulen sich im engeren oder weiteren Netzwerk dieses Verbundprojekts verbunden fühlen sollen. Das ist ein Viertel unserer deutschen Hochschulen.

Welche Rolle spielt das Thema Vertrauen im Bereich von Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Auf den ersten Blick mag sich der Zusammenhang von Vertrauen und Bildung für nachhaltige Entwicklung sicherlich nicht aufdrängen. Aber ich denke, das Vertrauen ist etwas, das auf jeden Fall mitschwingt, wenn Menschen gemeinsam mit anderen große Ziele erreichen wollen. In dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung braucht man Vertrauen darin, das Richtige zu tun und dass der hohe Zeiteinsatz nicht vergebens ist. Zum anderen ist Bildung für nachhaltige Entwicklung eine enorm große Herausforderung, die nicht alleine zu bewältigen ist und deshalb auf dem Zusammenwirken mit anderen basiert. Man muss also vertrauen, dass man das gemeinsam schaffen kann. Man muss bei BNE auch Vertrauen haben, dass das was man tut, wirksam ist, auch wenn wir heute nicht sehen, was die Effekte unseres Handelns sind, da es eben sehr langfristige Ziele sind. Allerdings kann Vertrauen auch kritisch betrachtet werden, denn ein blindes Vertrauen wäre auch nicht zielführend. Netzwerke spielen im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung eine große Rolle.

Inwiefern ist auch hier Vertrauen wichtig?

Ich verstehe Netzwerke als freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen, die auch jenseits ihrer beruflichen Arbeitszeit miteinander arbeiten. Und wenn man solch einen Zeitaufwand auf sich nimmt, dann ist es wichtig, sich zumindest auf die temporäre Stabilität und die gemeinsame Verpflichtung der Gruppe auf ein gemeinsames Ziel verlassen zu können, um nicht den Eindruck zu haben, um es salopp auszudrücken: Das, was ich hier tue, ist für die Katz. Sich auf die verlässliche und kompetente Mitwirkung von einzelnen Menschen in diesem Netzwerk zu verlassen, die auch offen sind gegenüber meinen Ideen, erfordert Vertrauen.

Was würden Sie in dieser Hinsicht Netzwerken empfehlen?

Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeit in Netzwerken gut moderiert sein muss, damit möglichst viele Menschen immer wieder ins Gespräch kommen. Um zu wissen, welche Ressourcen in einem Netzwerk vorhanden sind, welche Querverbindungen zu anderen oder welche neue Themen erschlossen werden können, braucht es das Gespräch. Ein Punkt ist mir noch wichtig: im Ehrenamt ist Anerkennung ganz wichtig. Ich glaube in Deutschland kann man noch mehr daran arbeiten, das, was man erreicht, auch positiv darzustellen, wertzuschätzen und zu feiern. Daraus schöpft man dann neue Motivation.

Was ist ihre persönliche Vision für Deutschland im Hinblick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Ich fände es toll, wenn es gelingen würde, Bildung für nachhaltige Entwicklung in den formalen Bildungsinstitutionen - ich schaue dabei vor allem auf Schulen - so zu verankern, dass die Schülerinnen und Schüler eine positive Einstellung zu dieser Zukunftsaufgabe haben und auch sehen, was sie mit kleinen Schritten selbst zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft beitragen können. Aber es gibt viele weitere Orte, die diese Herkules-Aufgabe begleiten können, nämlich etwa Hochschulen, an denen herangehende Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Fachstudium in immer mehr Veranstaltungen lernen, wie drängend die Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung ist, kein Weg an ihr vorbei führt und wir uns alle fragen müssen, was wir beitragen können, damit auch künftige Generationen ein gutes und gesundes Leben führen können. Ich hoffe auch, dass es an immer mehr informellen Orten selbstverständlicher Bestandteil von Freizeitangeboten wird, etwa in Sportvereinen, wenn es um die ressourcenschonende Durchführung von Veranstaltungen geht. Meine Vorstellung ist, dass BNE auf die Dauer zu einem Thema wird, das immer mehr gelebt wird und dadurch zu etwas Selbstverständlichem wird. Aber bis dahin ist es glaube ich noch ein langer Weg.

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