Rede,

Gemeinsam in Aktion – wie wir den Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung umsetzen

Cornelia Quennet-Thielen

Cornelia Quennet-Thielen
Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Agendakongresses Bildung für nachhaltige Entwicklung „In Aktion“ in Berlin

Sehr geehrte Mitglieder der Nationalen Plattform BNE, der Fachforen und der Partnernetzwerke,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Jugendliche und junge Erwachsene,

herzlich willkommen zum zweiten Agendakongress Bildung für nachhaltige Entwicklung!

Der November ist der Veranstaltungsmonat des Jahres. Gleichwohl war der Kongress schnell ausgebucht. Das belegt, wie attraktiv unser Thema ist und wie groß die Community. Ich freue mich, so viele neue und so viele bekannte Gesichter zu sehen. Dieser Kongress ist eine Wegmarke auf dem langen gesellschaftlichen und politischen Weg zu nachhaltiger Entwicklung.

Seit der UN-Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 ist Nachhaltigkeit ein normatives Leitprinzip der internationalen Staatenge­meinschaft. Auf dem Gipfel der Vereinten Nationen 2015 haben sich die Staaten der Welt in der Agenda 2030 auf 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung geeinigt. Die Agenda 2030 ist die Grundlage, um weltweit den Schutz der natürlichen Ressourcen mit sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlichem Fortschritt und kulturellem Wandel zu verbinden. Ich freue mich, dass Achim Steiner, der deutsche Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, in seiner Video-Botschaft näher darauf eingeht.

Wie aber kommt das Leitprinzip Nachhaltigkeit in den Alltag, wie prägt es das Handeln jedes Einzelnen von uns? Wir müssen uns damit aktiv auseinandersetzen. Genau darum geht es der Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Mit der Agenda 2030 ist die Bildung für nachhaltige Entwicklung erstmals in die globale Zielhierarchie aufgenommen als eigenes Unterziel:

Das unterstreicht die Dringlichkeit der BNE und ist uns Allen Antrieb, uns weiter zu engagieren!

Dabei ist es durchaus eindrucksvoll, was wir in Deutschland schon erreicht haben. Bereits während der UN-Dekade (2004-2014) haben tausende Menschen in Deutschland vielfältige, erfolgreiche Projekte auf die Beine gestellt. Wir haben dabei erkannt: BNE muss noch stärker strukturell im Bildungssystem verankert werden.

Deshalb haben wir uns für das Nachfolgeprogramm der Dekade, das UNESCO-Weltaktionsprogramm BNE, den Leitsatz gegeben: Vom Projekt zur Struktur. Mit unserem gemeinsamen Agendaprozess haben wir 2015 genau dies aufgegriffen. Am Anfang standen die Fragen: Wie kann es gelingen, alle relevanten Akteure in einem strukturierten Prozess zusammenzubringen? Werden wir uns auf einen gemeinsamen Aktionsplan verständigen? Das war neu und in gewisser Weise ein Experiment. Wir wollten als Bundesministerium für Bildung und Forschung den Rahmen schaffen und waren bereit, den Prozess zu organisieren und zu finanzieren. Wir wollten aber keine inhaltlichen Vorgaben machen.

Heute können wir froh und stolz sagen:

Das Experiment ist gelungen!

Mehr als 300 Akteure aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, aus Bund und den 16 Ländern haben in den vergangenen eineinhalb Jahren intensiv und höchst produktiv zusammengearbeitet, in den Fachforen und den Partnernetzwerken sowie in der übergreifenden Nationalen Plattform, deren Vorsitz ich gerne übernommen habe.

Gemeinsam haben wir gezeigt: Die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Zukunft ist möglich – mit Ausdauer, Kompetenz und dem Willen zum Wandel. All die Mühe, die unzähligen Stunden, die viele von Ihnen ehrenamtlich investiert haben – und hier will ich besonders die Fachforen nennen – sie haben sich gelohnt. Am 20. Juni 2017 konnten wir in der Nationalen Plattform den Nationalen Aktionsplan verabschieden. Das ist ein Meilenstein für die Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft stehen für diese Ziele und Maßnahmen. Auf dieser Grundlage können wir BNE in die Fläche bringen. Und auch das kann nur gemeinsam gelingen!

Ich freue und bedanke mich, dass viele Vertreterinnen und Vertreter der Länder auch diesen Agendakongress aktiv mitgestalten. Wir haben den Ländern hier im bcc einen farbigen Teppich ausgerollt und eine „Bundesländermeile“ geschaffen. So heißt das auf der Kieler Woche und mit diesem Wind in den Segeln mögen die Länder noch rascher vorankommen! Ich lade Sie alle ein, sich hier auf der Ausstellungs­fläche vor dem Kuppelsaal anzusehen, was in den Ländern in puncto BNE geschieht.

Global denken, lokal handeln. Das gilt in der BNE in besonderer Weise. Deshalb freue ich mich, dass auch viele Städte, Kreise und Gemeinden sowie unzählige Akteure vor Ort BNE erfolgreich umsetzen. Hervorragende Beispiele, wie BNE in Kommunen, Lernorten und Netzwerken gelebt wird, werden heute Abend ausgezeichnet.

Auf Bundesebene steht nicht nur unser Ministerium, sondern die ganze Bundesregierung hinter BNE – und ich bin überzeugt, das wird auch eine neue Regierung so sehen:

  • Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung in der Neuauflage von 2016 betont, dass BNE in allen Bildungsbereichen verankert werden soll.
  • Und die Bundesregierung hat den Aktionsplan am 20. September dieses Jahres in einer eigenen Stellungnahme begrüßt. Für den Termin der letzten Kabinettsitzung vor der Wahl hat sie sich mit dem Nationalen Aktionsplan das Beste für den Schluss der Legislaturperiode aufgehoben.

Der Bund, die Länder und Kommunen – rund wird das Ganze nur in Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Ohne die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft wäre der Aktionsplan nicht zu Stande gekommen. Ich danke Ihnen für Ihr großes Engagement.

Wir haben alle gelernt. Wir sind näher zueinander gerückt. Sowohl die Vertreter und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, die sich teilweise noch weitergehende Ziele im Aktionsplan gewünscht hatten, als auch diejenigen, die immer mal wieder den „Realitätscheck“ unternehmen mussten.

Gemeinsam kommen wir dem Ziel näher, BNE in die Fläche zu tragen: Es liegen uns schon mehr als 150 Selbstverpflichtungen, so genannte Commitments zum Aktionsplan vor und es werden ständig mehr. Dazu trägt auch der Rat für nachhaltige Entwicklung bei, beispielsweise mit seinem Bildungswettbewerb zu wünschenswerten „Zukünften“. Ich freue mich, dass er sich auch bei BNE aktiv einbringt, liebe Frau Thieme.

Sie alle können heute und morgen auf dem Agendakongress bei den Ständen der Fachforen Ihr Commitment abgeben, Ihren eigenen, konkreten Beitrag für BNE hinterlegen.

Und was trägt das BMBF dazu bei?

Wir haben bereits mit der Umsetzung des Aktionsplans begonnen:

1. Lassen Sie mich ganz klar sagen: Wir werden den BNE-Agenda­prozess weiter finanzieren und unterstützen. Das betrifft die Arbeit der Nationalen Plattform, die Fachforen, die Partnernetzwerke und die Veranstaltungen. Die Partnernetzwerke wollen wir in Zukunft noch stärker einbeziehen.

Wir bleiben innovativ: An Stelle des Kongresses gehen wir im kommenden Jahr auf BNE-Tour in Deutschland. Auch damit bringen wir BNE in die Fläche. Ich setze auf Sie alle: Für gute Veranstaltungen vor Ort sind Ihre Ideen gefragt!

2. Wir verbinden das mit einer weiteren großen Neuerung: Künftig wird der Prozess mit unserer Förderung viel stärker von Jugendlichen unterstützt und mitgestaltet. Das ist uns besonders wichtig, denn es sind die jungen Menschen, um deren Zukunft es geht. Sie müssen auch daran teilhaben können. So haben auf einer Jugendkonferenz im September rund 120 junge Menschen aus ganz Deutschland im Alter von 16 bis 23 Jahren diskutiert, wie sie BNE voranbringen können. Sie haben ein Jugendforum gebildet, das uns in der Umsetzung des Aktionsplans begleiten wird. Das youpaN stellt sich morgen hier vor und gestaltet einen Teil des zweiten Tags. Wir fördern außerdem Projektideen der Jugendlichen – die ersten Projekte sind heute Vormittag ausgewählt worden.

Wir sind uns alle einig: BNE darf im Lebensverlauf nicht nur punktuell eine Rolle spielen, sie muss Leitmotiv in allen Bildungsetappen sein. Das ist der Grundgedanke des Aktionsplans, das ist der Grundgedanke der Maßnahmen auch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

BNE beginnt schon in der Kita. Viele haben selbst erlebt, wie sich bereits die Jüngsten für die Natur und ihren Schutz begeistern lassen, wie nachdenklich sie werden, wenn es um die Zerstörung von Lebensgrundlagen und um Ungerechtigkeit geht. Unser Flaggschiff für frühkindliche Bildung, das „Haus der kleinen Forscher“, wird sich über den Auftrag hinaus, das Interesse für die MINT-Fächer ganz praktisch zu wecken, auch der BNE widmen. Der Startschuss fiel mit dem Tag der kleinen Forscher im Juni 2017, der ganz im Zeichen von BNE stand. Ab Frühjahr 2018 werden wir bereits ein Drittel der lokalen Netzwerke des „Hauses der kleinen Forscher“ erreichen. In diesen Netzwerken sind mehr als 26.000 Kitas, Horte und Grundschulen in Deutschland zusammengeschlossen. Die nächsten Schritte sind: ein Roll-out in die Fläche und ein Fokus auch auf die Leiterinnen und Leiter der Kindergärten und Kindertagesstätten.

Entscheidend ist BNE sodann in der Schule. Dafür sind die Länder zuständig und hier zähle ich voll auf ihre Unterstützung!

Wir unterstützen BNE dann wieder in der beruflichen Bildung. Für Auszubildende gelingt dies am besten an betrieblichen Lernorten, die selbst insgesamt für Nachhaltigkeit stehen. Mit unserem Förderschwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung 2015 – 2019“ und seinen 3 Förderlinien kommt Nachhaltigkeit auch im Arbeitsalltag an.

Genauso wichtig ist es, Nachhaltigkeit in den Hochschulen und in der Forschung zu verankern – von den Curricula bis zum nachhaltigen Campusmanagement. Dabei fördern wir sowohl Studierende, die eigene Ideen umsetzen können wie die Hochschulen selbst.

Unsere Maßnahmen und die der Partner gehen vielfach Hand in Hand. Nur drei Schlaglichter:

Menschen allen Alters erreicht der Deutsche Volkshochschul-Verband. Als Commitment für den Nationalen Aktionsplan stellt er für alle 900 Volkshochschulen Informationsmaterial bereit und gibt Anregungen für die Umsetzung vor Ort.

Oder der Deutsche Industrie- und Handelskammertag: Mit Unterstützung des BMBF entwickelt die DIHK-Bildungs-GmbH ein Qualifizierungsangebot für Führungskräfte in Sachen Nachhaltigkeit insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen.

Von der frühen Bildung bis zur Fortbildung von Arbeitnehmern und Führungskräften: Wir knüpfen die BNE-Kette immer enger. Wir wissen, wie notwendig das ist, wenn wir täglich von den Folgen des Klimawandels, von Ressourcenknappheit oder Armut und Flucht hören.

Deshalb müssen wir den Wandel weiter vorantreiben. Dafür sind wir hier zusammengekommen. Bis zum Ende des UNESCO-Welt­aktions­programms BNE im Jahr 2019 sind es weniger als 800 Tage. In Anbetracht der Aufgabe, mehr Nachhaltigkeit in der Bildung zu verwirklichen, ist das nicht allzu viel Zeit. Natürlich hört unsere Arbeit nicht 2019 auf. Aber: Wir wollen 2019 eine gute Bilanz ziehen können. Es zählt jeder Tag.

Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass die Mehrheit der Menschen eine nachhaltige Lebensweise für zukunftsentscheidend hält. Zugleich wissen sie, dass noch nicht genug getan wird. Doch viele halten sich nicht für kompetent genug. Hier müssen wir ansetzen, hier gibt es viel zu tun. Zumal zugleich viele nicht anerkennen, dass eine nachhaltigen Lebens- und Denkweise überlebensnotwendig ist. Auf der einen Seite besteht der starke Wille zum Wandel, zu Kooperation und Partizipation. Das gibt Hoffnung und Kraft. Auf der anderen Seite grenzen sich viele ab, suchen einfache Antworten auf komplexe Fragen und werden darin von populistischen Bewegungen bestärkt.

Auch hier setzt Bildung für nachhaltige Entwicklung an. Sie zielt darauf ab, die Fertigkeit zu vermitteln, kritisch und vorausschauend zu denken, die Fähigkeit, aktiv und eigenverantwortlich die Zukunft mitzugestalten. BNE ist Bildung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

Sie alle haben viel Zeit und Engagement investiert. Dafür mein herzlicher Dank. Einige von Ihnen sagen vielleicht: zu viel Zeit. Aber sie war und ist bestens investiert. Ihr Engagement geht über BNE hinaus: Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und die Öffnung von politischen Entscheidungsprozessen sind heute wichtiger denn je. Ihr Engagement für BNE ist zugleich Ihr Engagement für unsere demokratische Gesellschaft.

Deutschland gilt international als Vorreiter in der BNE. Nirgendwo sonst gibt es einen so umfassenden Multi-Akteurs-Prozess zur Entwicklung und Umsetzung einer nationalen BNE-Strategie.

Sie alle sind Change Agents der BNE in Deutschland und Vorbild in Ländern, die sich zur BNE auf den Weg machen.

Nachhaltigkeit kann nur als Gemeinschaftswerk gelingen. Victor Hugo hat einmal gesagt:

„Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

Ergreifen wir gemeinsam die Chancen, die wir in unserem Land haben. Treten wir „In Aktion“.

Vielen Dank.

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