Auf ein Wort,

„Um die grundlegenden Dinge wirklich an der Wurzel zu packen, brauchen wir den Mut von Jugendlichen“

Noura Hammouda
Mitglied des BNE-Jugendforums youpaN

Noura Hammouda ist Mitglied des Jugendforums youpaN, dem Gremium für Jugendbeteiligung, das an der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Bildung für nachhaltige Entwicklung mitwirkt. Das youpaN hat das Ziel, Jugendliche zur Teilhabe an gesellschaftlichen Themen zu motivieren, um mit BNE eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Mit der Deutschen UNESCO-Kommission sprach Noura über die Gremienarbeit und darüber, wie Jugendliche sich erfolgreich am BNE-Prozess beteiligen können.

Als Jugendforum seid ihr an der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans BNE beteiligt. Welche Rolle habt ihr dabei?

Ich glaube, als junge Menschen sind wir vor allem eine Stimme von einer jungen Generation in einem Prozess, der das dringend nötig hat. Das bedeutet, wir sitzen in allen relevanten Gremien, wie etwa in den Fachforen und in der Nationalen Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dort bringen wir eine kritische und junge Stimme ein. BNE ist Zukunftsbildung. Als junge Menschen sind wir näher am Puls der Zukunft als alle anderen Gruppen. Deshalb können wir kreative, neue Wege denken und einbringen, die ältere Menschen nicht sehen können. Darüber hinaus kümmern wir uns auch darum, die oftmals sehr politische Sprache im Bereich BNE jugendgerecht zu übersetzen. Das machen wir zum Beispiel durch unsere Forderungen.

Welche Möglichkeiten bietet das youpaN der oder dem Einzelnen, sich für BNE einzusetzen?

Hauptsächlich sehe ich da die youprOs. Jugendliche können mit unserer Unterstützung kleine Mikro-Projekte für BNE umsetzen. Dabei wurden schon über 30 realisiert und es kommen noch neue hinzu. Das heißt, sie können bei sich jedes Projekt machen, das mit BNE etwas zu tun hat, und wir unterstützen sie dabei in jeglicher Hinsicht.

An welchen Stellen, meint ihr, sind gerade Jugendliche gefragt, sich für BNE einzusetzen?

Ich wünsche mir, dass sie das hauptsächlich in der Form von Interessensvertretung machen, etwa bei sich an Schulen, in der Ausbildung oder wo immer sie sind. Dort könnten sie kleine Projekte zu BNE ins Leben rufen, um die Leute damit zum Denken anzuregen. Und sie sollten es sich selbst erlauben, ihren Lernraum mitzugestalten. Beispielsweise indem sie an den Schulen AGs gründen, die sich mit verschiedenen Fragen auseinandersetzen: „Wie wollen wir überhaupt lernen?“ oder „Wie ist diese Schule gestaltet und wie können wir das eventuell ändern?“

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen Jugendliche bei der Umsetzung von BNE-Projekten immer wieder stehen und was müsste aus eurer Sicht geschehen, um Jugendbeteiligung noch wirksamer zu gestalten?

Ich glaube, zu den größten Herausforderungen gehört es, dass Jugendbeteiligung noch gar nicht so selbstverständlich ist. Wir als youpaN sind eines der ersten Gremien, die es in dieser Form gibt. Bei unserer Gremienarbeit merken wir immer wieder, dass Leute, die schon länger in dem Feld BNE unterwegs sind, manchmal noch dazu lernen müssen. Wie etwa, dass wir dabei sein können, obwohl wir noch keine 50 Jahre Expertise auf dem Buckel haben. Sie müssen lernen, darauf zu vertrauen, dass wir gute Sachen einbringen können. Dazu braucht es etwa jugendgerechte Rahmenpositionen, wie Zeiten. Wenn wir Jugendbeteiligung machen, dann muss diese auch zu Zeiten stattfinden, zu denen Jugendliche können. Das ist an manchen Stellen noch ein schwieriger Prozess.

Ich merke immer wieder, dass Jugendliche sehr wirksam und gewinnbringend an den grundlegenden Themen der BNE mitarbeiten können. Ich glaube, um die Dinge wirklich an der Wurzel zu packen, brauchen wir den Mut von Jugendlichen. Dabei ist es aus meiner Sicht wichtig, BNE in einem systemischen Zusammenhang zu sehen und sagen zu können: „Vielleicht kann BNE etwas Grundlegendes im Bewusstsein unserer Gesellschaft verändern, um wirklich zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit zu kommen.“ Ein solches grundlegendes Thema ist etwa die Klimakrise. Wir können vieles nicht mehr einfach auseinanderdenken, wie die drohende Klimakatastrophe und den Abbau von Braunkohle vor unserer Haustür. Ich denke, dass Jugendliche dazu beitragen können, anzuerkennen, dass wir in manchen Bereichen grundlegenden Wandel brauchen. Gerade jetzt, um eben die bekannten Kipppunkte nicht zu überschreiten.

Welche Themen stehen im Rahmen der Jugendbeteiligung gegenwärtig im Vordergrund – zum Beispiel bei der Jugendkonferenz, youcoN, die in diesem Jahr unter dem Thema Wir.L(i)eben.Zukunft stand?

Für mich steht ganz klar im Vordergrund, alle Jugendlichen mitzunehmen. Und das ist gerade im Moment sehr spannend, weil sich durch die Fridays for Future Bewegung sehr viele Jugendliche bereits mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Hier sehen wir aber gleichzeitig das Problem, dass vor allem junge Menschen daran teilnehmen, die gerade ihr Abitur bestanden haben oder es gerade machen. Anderen Menschen steht das weniger offen. Daher ist es für mich gerade ein sehr großes Thema: die Leute einzubeziehen.

Auf der youcoN habe ich gemerkt, es geht momentan viel um Digitalisierung. Gerade als digitale Generation stellten sich viele Teilnehmende auf der youcoN die Frage, wie können wir Digitalisierung gut nutzen, um BNE voranzutreiben? Dazu haben wir sehr spannende Sachen gesehen. Außerdem ging es immer wieder um verschiedene kreative Aktionsformen. Auf der youcoN haben wir beispielsweise Theater gespielt.

Hast Du den Eindruck, dass die Fridays for Future ein neuer Anlass sind, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen? Und unterstützen in diesem Zusammenhang auch mehr Jugendliche das Thema BNE?

Ich denke, die Fridays for Future sind auf jeden Fall ein neuer Anlass und das Gute an der Bewegung ist, dass sie einen Change of Mind in der gesamten Gesellschaft hervorgerufen hat. Das Verständnis gegenüber diesen Themen hat zugenommen. Inzwischen darf man über die Klimakrise sprechen, ohne dass die Leute antworten: „Was, wovon sprichst Du?“ Dafür haben wir der Fridays for Future-Bewegung auf jeden Fall zu danken. Aber ich denke, es ist noch ein Prozess, alle Jugendliche auf diesem Weg mitzunehmen.

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in Deutschland und weltweit zunehmend an Aufmerksamkeit – nicht zuletzt durch die aktuelle Schülerbewegung Fridays for Future. Was ist aus eurer Sicht wichtig, um BNE in Zukunft noch stärker im deutschen Bildungssystem zu verankern?

Was in meinen Augen sinnvoll und cool wäre: Überall so genannte Zukunftsräte zu etablieren – Jugend-Zukunftsräte. Das wünschen wir uns als youpaN sowohl auf Länder als auch auf Städte-Ebene. Das würde bedeuten, es gibt Jugendliche, die ein Gremium bilden und dabei von hauptamtlicher Seite unterstützt werden. Hier sprechen sie über nachhaltige Themen und gestalten Nachhaltigkeit. Ich denke, dass Jugendliche eine große Gestaltungskraft auf diesem Themengebiet haben, weil die Zukunft einen Großteil ihres Lebens ausmachen wird. Deshalb ist es sinnvoll, den Jugendlichen Strukturen zu geben, in denen sie sich gut beteiligen können und ihnen an Schulen die Möglichkeiten zu eröffnen, selbstbestimmter zu lernen, mehr Dinge zu hinterfragen und ihren Lernraum selbst mitzugestalten.

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